POLITIK
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Veranstaltungen, Stellungnahmen, Pressemitteilungen und News
Online Veranstaltungsreihe: Eine Stunde – Ein Thema
Wir hosten monatliche Vorträge zu den gesellschaftlich und politisch am heißesten diskutierten Themen rund um Sexarbeit. Sexarbeiter*innen und Expert*innen aus relevanten Bereichen erklären, klären auf und diskutieren. Die Teilnahme steht allen Interessierten offen!
ANMELDUNG über Mail an: emma@besd-ev.de
Mehr lesen zu:
– Schwedisches Modell/Freierbestrafung/Sexkaufverbot
– Positionen und Forderungen des BesD
– Wissenschaftliche Studien zu Sexarbeit
Termin verpasst? Auf unserem YouTube-Kanal siehst Du einen Videomitschnitt aller „Eine Stunde – ein Thema“-Veranstaltungen:
2023
2022
2021
2020
Früher
Hygiene-Konzept für Sexarbeit – BesD fordert Gleichbehandlung bei Corona-Lockerungen
/0 Kommentare/in Infos vom BesD, POLITIK, Pressemeldungen/von LilliDer BesD hat gemeinsam mit verschiedenen Gesundheitsämtern ein Hygienekonzept für erotische Dienstleistungen im Rahmen der Corona-Krise entwickelt.
Viele Branchen sind vom Lockdown schwer betroffen – doch gerade in der Sexarbeit lebt ein hoher Anteil von der Hand in den Mund und hat wenig bis keine Rücklagen. Besonders im Bereich Straßen-Sexarbeit sind viele Beschäftigte zusätzlich nicht krankenversichert und bereits von Armut betroffen.
Wir fordern die Gleichbehandlung von Sexarbeit mit vergleichbaren körpernahen Dienstleistungen. Im Sinne der Übertragung und Bekämpfung des Corona-Virus besteht kein Unterschied zwischen einer nichtmedizinischen Massage und einer erotischen Massage. Im zweiten Schritt plädieren wir für eine geordnete Öffnung aller Bereiche der Sexarbeit unter Anwendung entsprechender Hygiene-Konzepte für den Schutz von Dienstleister*innen und Kund*innen sowie die Vorbeugung von Neu-Ansteckungen.
Mit unserem Anliegen haben wir uns an die Bundesländer und die zuständigen Behörden gewendet: —> Unsere Pressemitteilung zum Download
Sexarbeiter*innen hoffen auf Lockerung des Arbeitsverbots
„Auch unsere Branche möchte Licht am Ende des Tunnels sehen. Seit der Einführung des Prostitutionsgesetzes gehört es zu den erklärten Zielen der Regierung, auf die Entstigmatisierung von Sexarbeiter*innen hinzuwirken – hier besteht die Chance, für Gleichberechtigung zu sorgen.“ (Zitat Johanna Weber, politische Sprecherin BesD)
Das Hygiene-Konzept des BesD umfasst Regelungen für Arbeiten in Terminwohnungen/eigener Wohnung/Wohnwagen, Haus- und Hotelbesuche (Escort) sowie Hygiene-Regeln für die Arbeit auf Straßenstrichen.
–> HIER LESEN: Hygiene-Konzept für Sexarbeit während Corona
Vorbeugende Maßnahmen gehören zu unserem Arbeitsalltag – schon vor der Krise
Konkrete Konzeptvorschläge für alle Arten von Prostitutionsstätten sind Aufgabe der zuständigen Betreiberverbänden und -zusammenschlüsse. Diese sind aufgrund des
Prostituiertenschutzgesetzes (ProstSchG) und ganz unabhängig von Corona bereits zu passgenauen Hygiene-Konzepten und der Hinwirkung auf die Vermeidung von sexuell übertragbaren Krankheiten jeder Art verpflichtet.
„Im Gegensatz zu vielen anderen Branchen, die nun erst einen verstärkten Umgang mit Hygiene erlernen müssen, gehören vorbeugende Maßnahmen gegen Übertragung von sexuell übertragbaren Krankheiten zu unserem Arbeitsalltag. Sexarbeitende sind gewohnt und in der Lage, mit dem Thema Infektionsschutz verantwortungsvoll umzugehen.“ (Zitat Undine de Rivière, BesD-Mitglied)
Hilfe durch Gleichbehandlung bei Corona-Lockerungen
Der Fakt bleibt: Ein Großteil der Sexarbeiter*innen kann kein Geld verdienen, solange unsere Arbeitsplätze geschlossen sind. Der Berufsverband hat für jene Sexarbeitende, die keinen Anspruch auf staatliche Hilfen haben, den –> Nothilfe Fonds ins Leben gerufen und bis dato bereits über 200 notleidenden Sexarbeitenden geholfen. Doch die Mittel unseres Verbands sind bald erschöpft. Hier sollte der Staat einspringen. Noch besser wäre es wenn wir uns selber helfen können, indem wir wieder unserer Arbeit nachgehen können.
Hygienekonzepte für Prostitutionsstätten:
UEGD
-> Hygienekonzept mit Stufenplan -> https://uegd.de/uegd-fordert-wiedereroeffnung-der-branche/
BSD
-> Hygienekonzept mit schrittweiser Öffnung -> https://bsd-ev.info/corona-hygienekonzept/
Zusammenschluss der Laufhäuser Stuttgart
-> Laufhäuser Stuttgart – Anschreiben Ministerpraes. Lucha wegen Hygienekonzept
Ehrenamtsstelle mit Aufwandsentschädigung: BesD sucht jemanden für IT-Support und Administration
/0 Kommentare/in Infos vom BesD, Verband/von LilliDer Berufsverband für erotische und sexuelle Dienstleistungen ist ein Verein von Sexworkern für Sexworker. Wir wollen ein realistisches Bild der Sexarbeit in Deutschland vermitteln und der gesellschaftlichen und rechtlichen Diskrimierung von Menschen in der Sexarbeit entgegenwirken. Nach langer und guter Zusammenarbeit mit unserer bisherigen IT-Expertin, suchen wir ab sofort eine neue Person für dieses wichtige Amt.
Dein Profil:
– Du bist derzeit oder warst schon einmal als Sexarbeiter*in tätig
– Du bist bereits Mitglied beim BesD oder kannst Dich mit den Zielen des Vereins identifizieren
– Erfahrung im IT-Bereich
– Du kannst eigenverantwortlich und selbstständig arbeiten
– Gute Deutschkenntnisse in Wort und Schrift
– Gute Englischkenntnisse in Wort und Schrift von Vorteil
Deine Aufgaben:
– Ansprechpartner*in für IT-Fragen der Mitglieder und Mitarbeiter*innen
– Betreuung und Wartung unserer Websites (WordPress)
– Betreuung und Verwaltung des Mitgliederforums (MyBB)
– Betreuung und Anlegen von Email-Accounts
Wenn möglich:
– Organisation von regelmäßigen Teamtreffen zur Aktualisierung von Websites
– Bei Bedarf: Umstrukturierung von Forum und Websites
Arbeitszeit:
– nach Bedarf
– völlig freie Zeiteinteilung
Der regelmäßige Zeitaufwand beträgt je nach Aktivität der Mitglieder ca. 4-6 Stunden/Monat für Wartung und Betreuung (Back-Ups, Updates, Fragen beantworten, Forum, etc.). Falls möglich, soll es regelmäßige Webwochenenden geben. Dabei kannst du zusätzlich mit circa 4 Stunden Vorbereitung rechnen. Für Webseitenbau bzw. Umstellungen können mehrmals pro Jahr einige Stunden anfallen.
Die Arbeit kann per Homeoffice bundesweit ausgeübt werden. Teamtreffen können vorzugsweise in Berlin oder Hamburg, aber natürlich auch per Videokonferenz o.ä. stattfinden.
Bezahlung:
Der BesD wird vorwiegend von ehrenamtlich Tätigen am Laufen gehalten, unser Gesamt-Budget hängt daher stark von Förderungen ab. Die monatliche Aufwandsentschädigung für den beschriebenen IT-Support liegt derzeit bei 100 €.
Formlose Bewerbungen bitte bis 31.08.2019 an Johanna Weber unter johanna@besd-ev.de. Du erreichst uns bei Fragen auch telefonisch unter 0152 – 0461 7464 (Charlie Hansen)
Wir sind etwas wert! Zu Preisdiskussionen und „Feilschen“ in der Sexarbeit
/in Mitglieder-Blog/von LilliEin persönlicher Beitrag aus dem Blog von Sexarbeiterin und BesD-Mitglied Madame Simone.
Es gab schon immer Menschen, die an den Preisen etwas zu mäkeln haben und hatten, die unterschiedliche Sexarbeitende aufrufen. Hartnäckiges Feilschen und der Versuch an den Preisen „was zu machen“ ist jetzt sicher nichts Neues. Jede*r von uns kennt das, und auch die teilweise arg beleidigenden und unverschämten Reaktionen, wenn man nicht auf Dumpingpreis-Vorschläge eingehen möchte.
Seit einer Weile, nicht zuletzt sicher durch die Pandemie und die gerade sehr deutlich spürbare Erhöhung der Lebenshaltungskosten, lese ich in unterschiedlichen Foren vermehrt Diskussionen zu den Preisen von Sexarbeiter*innen, überwiegend initiiert von unseren Kund*innen.
Da wird gefragt „Können wir uns unsere Leidenschaft bald überhaupt noch leisten?“, es wird darüber gemault, dass manche Kolleg*innen ihre Preise angehoben haben usw.
Ich habe eine sehr deutliche Meinung dazu: Sexarbeit ist ein Luxus, keine Selbstverständlichkeit.
Sexarbeit in Anspruch zu nehmen, in welcher Form auch immer, ist keine Lebensnotwendigkeit. Es ist ein Luxus, ähnlich dem Spa Day, dem Kurztrip, dem ausgedehnten Besuch bei der Thai oder Hot Stone Massage oder im Kosmetikstudio. Wenn das Geld knapp wird, dann kürzt man dort, wo es nicht notwendig ist. Vollkommen logisch. Wir streichen alle zuerst bei den gerade nicht für unsere Existenz wichtigen Dingen, wenn es eng im Geldbeutel wird.
Das geht auch uns Sexarbeitenden so. Wenn uns die Kohle ausgeht, dann machen wir uns unsere Nägel selbst, statt ins Nagelstudio zu gehen. Wir kaufen uns Masken im Drogeriemarkt, statt die Kosmetikerin zu bemühen, wir gehen bei Lidl statt bei Rewe einkaufen usw. Auch wir sind ganz normale Menschen, und auch wir spüren die Preiserhöhungen!
Sexarbeit ist keine karitative Arbeit
Auf der anderen Seite ist Sexarbeit eine überwiegend freiberufliche Dienstleistungsbranche und keine karitative Arbeit. Niemand hat Anspruch darauf, und wenn man es sich halt nicht leisten kann, dann hilft es auch nicht, sich über die Preise zu beschweren. Dadurch wird es auch nicht preiswerter.
Ja, viele von uns üben den Beruf echt gerne aus, ganz entgegen der Meinung von Sexarbeitsgegner*innen, die nicht müde werden zu behaupten, dass wir „das ja unter keinen Umständen gerne oder freiwillig machen können“. Wir lieben die Flexibilität, die Tatsache, dass wir keine Vorgesetzten haben, den Umgang und Austausch mit unseren Kund*innen und nicht zuletzt auch den Verdienst.
Ohne eine monetäre Gegenleistung würden wir den Job halt doch nicht machen. Wer würde schon arbeiten, wenn es dafür kein Geld geben würde, jetzt mal ernsthaft?
Ich verstehe zwar den Unmut, wenn Menschen sich eine Begegnung mit Sexarbeiter*innen nicht oder nicht mehr leisten können, habe aber kein Verständnis dafür, dass teilweise so über die Preise gejammert wird wie gerade. Wenn jemand sich die Buchung eines oder einer Sexarbeiter*in nicht leisten kann, oder zumindest nicht die einer Person, die man gerne treffen würde, weil diese nicht in der zum Portemonnaie passenden Preiskategorie arbeitet, dann ist das bestimmt frustrierend, das verstehe ich.
Aber Heulen und Wehklagen hilft da auch nicht weiter. Dann kann man sich das halt gerade nicht leisten. Punkt. Ich miete mir ja auch keinen Personal Trainer, wenn ich gerade kaum den Kühlschrank gefüllt bekomme.
Auch Sexarbeitende spüren die gestiegenen Lebenshaltungskosten
Ja, auch unsere Kosten sind gestiegen. Kaum zu glauben, ich weiß, aber auch Sexarbeitende müssen Miete zahlen. Sowohl die für das private Zuhause, als auch unter Umständen die für die Räumlichkeiten, in denen wir arbeiten.
Wir bezahlen Rechnungen, Steuern, müssen Lebensmittel einkaufen usw. Manchmal habe ich das Gefühl, dass manche Menschen vollkommen vergessen, dass nicht unser ganzes Leben aus Sexarbeit besteht.
Man könnte bei einigen Anfragen und Kommentaren teilweise denken, die Personen gingen davon aus, dass wir 24/7 in irgendeiner Location auf Kundschaft warten, respektive diese bedienen. Das, meine Lieben, ist aber nicht der Fall! Sexarbeit ist unser Beruf, nicht unser gesamter Lebensinhalt!
Die meisten Kolleg*innen, die ich kenne, haben ihre Preise in den letzten Monaten (wenn überhaupt) vielleicht um 10€ oder 20€ erhöht, einige um 50€. Manche sind seit Jahren beim gleichen Honorar geblieben, andere sind direkt mit einem höheren Honorar eingestiegen.
Es gibt buchstäblich für jeden Geldbeutel ein Angebot in der Sexarbeit und die passende Klientel. Mir persönlich gehen die Kommentare besonders gegen den Strich, in denen sich darüber beschwert wird, dass die Sexarbeitenden der Wahl jetzt zu teuer für das eigene Budget sind, und man sich nun für „was Billigeres“ entscheiden muss. Geht’s noch?!
Der Preis einer Dienstleistung sagt nichts über den Wert einer Person aus
Eine Kollegin, die 150€ für eine Stunde aufruft, ist keineswegs „schlechter“ oder hat weniger zu bieten als eine Sexarbeiterin, die 300€ dafür möchte.
Beide haben sich ihre Lebenshaltungskosten und Aufwendungen angeschaut und aufgrund dessen einen Preis gewählt, der für sie und ihre Lebenssituation passt und mit dem sie gut über die Runden kommen. Das ist immer und überall bei freiberuflich tätigen Menschen der Fall.
Unsere Honorare sind auch abhängig davon, wo wir leben und arbeiten. Wer eher ländlich lebt, hat unter Umständen geringere Lebenshaltungskosten. Wer mitten in einer Stadt wie München, Hamburg oder Köln lebt, hat definitiv höhere Lebenshaltungskosten zu stemmen. An diesen Kosten orientieren wir uns natürlich, wenn wir unsere Preise berechnen. Und auch danach, was wir bieten können und wollen.
Besonders hohe Ansprüche kosten extra
Wer zum Beispiel eine hochgebildete Dame mit akademischem Background und den teuersten Klamotten und Accessoires sucht, eine Kollegin, die in keinem 5-Sterne Hotel auch nur schief angeschaut wird, mit einem über Foucault, Bitcoin und tagesaktuelle Politik fließend in drei Sprachen parlieren kann, 10 Jahre lang aussieht wie ein 25-jähriges Supermodel und eine Granate im Bett ist, der muss sich auch nicht wundern, wenn diese Kolleginnen ein Honorar aufrufen, welches nur wenige Personen mal eben so ausgeben können.
Alles eine Frage von Angebot und Nachfrage. Wer ganz spezifische und hohe Ansprüche an Sexarbeitende hat, die über ein branchenübliches Angebot hinausgehen, muss halt auch deutlich tiefer in die Tasche greifen.
Wir sind etwas wert
Das obige Beispiel ist jetzt sehr auf die Spitze getrieben, aber es wird vermutlich klar worauf ich hinaus will: Wir sind etwas wert.
Unsere Dienstleistungen sind etwas wert, und wer versucht an Preisen herumzuschrauben, der sieht diesen Wert nicht, und das ist ein ganz deutliches No Go.
Eine Person, die uns das Gefühl gibt, dass unsere Zeit und unsere Dienstleistung nicht das wert ist, was wir dafür verlangen, die möchte kaum jemand von uns auch nur mit der Kneifzange anfassen. Das ist von vorneherein zum Scheitern verurteilt.
Also versucht gar nicht erst zu feilschen, sondern sucht Euch die Sexarbeiter*innen, die Dienstleistungen anbieten, die in Eurem Budget liegen. Oder habt etwas Geduld und spart für den Luxus unserer Dienstleistungen. Es ist absolut keine Schande, sich etwas nicht, nicht mehr oder zur Zeit nicht leisten zu können!
Aber es ist beleidigend und abwertend, wenn versucht wird mit uns über den Preis für sehr intime und persönliche Momente zu handeln. Wir sind keine Ware, keine Gegenstände und nicht die Caritas. Behandelt uns nicht so!
Analyse von HUNQZ: Knapp tausend männliche Sexarbeiter in Deutschland
/in Infos vom BesD, Mitglieder-Blog, News aus der Branche/von LilliWährend weibliche Sexarbeit oft im Scheinwerferlicht von Medien und Politik steht, führt die männliche Sexarbeit eher ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein. Belegbare Zahlen zur Sexarbeit stehen bisher grundsätzlich nicht zur Verfügung – lediglich die Zahl der im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes angemeldeten zumeist weiblichen Sexarbeiterinnen.
Da männliche Sexarbeit selten bis gar nicht in Bordellen stattfindet, findet in der Regel auch keine Anmeldung nach ProstSchG statt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur heteronormativen Sexarbeit ist die geringe Vernetzung unter den männlichen Dienstleistern.
Besonderheiten der mann-männlichen Sexarbeit
Ganz generell ist laut Studien die Frequenz an Sexualpartnern bei homosexuellen Männern im Vergleich zu hetereosexuellen Männern rund doppelt so hoch. Im Bezug auf Sexarbeit, findet diese einerseits moralisch abgeklärter statt, als bei Frauen – Motto: „Leg mal nen Euro auf den Steifen und schick mir ein Bild, damit ich sehen kann, ob der wirklich so groß ist!“ Auch in der Durchführung gibt es merkbare Unterschiede zur weiblichen Sexarbeit – mann-männliche Sexarbeit ist schneller und einfacher zu realisieren, beispielsweise in Parks, etc.
Kolja Nolte, Pressesprecher des BesD und bekanntester Dominus im deutschsprachigen Raum, konnte für den Verband in Kooperation mit dem Sexwork-Portal HUNQZ einen bisher in Deutschland einmaligen belastbaren Einblick in die Anzahl von männlichen Sexarbeitenden erreichen. Die Zahlen wurden erstmals auf der SAMBA Fachtagung vor Publikum präsentiert.
Das Ergebnis ist die laut Nolte sehr realistische Zahl von 1000 Männern, die ernsthaft in der Sexarbeit in Deutschland tätig sind.
Warum sind die Ergebnisse so aussagekräftig?
Im Gegensatz zu weiblicher Sexarbeit kann männliche Sexarbeit in Deutschland beinahe vollständig über die Datenauswertung von HUNQZ abgebildet werden. HUNQZ ist ein selbstständiger Teil der Dating-Plattform ROMEO, hat Pionierstatus bei der Vernetzung schwuler Männer in Deutschland und wird aufgrund der Monopolstellung gern auch scherzhaft als „schwules Einwohnermeldeamt“ bezeichnet.
Das Portal ist der unumstrittene Platzhirsch am deutschen Markt, vergleichbar mit der Stellung von sleepyboy in Großbritannien bzw. Rent.Men in den USA. Migrationsprostitution, Straßenprostitution oder Edel-Escort – die mann-männliche Sexarbeit in Deutschland aus allen sozialen und beruflichen Schichten findet fast ausschließlich dort statt.
Aus welcher Zeit stammen die Zahlen?
Der Stand der Auswertung ist von September 2022. Damit konnte unter anderem die Auswirkung der Corona-Krise auf die männliche Sexarbeit abgebildet werden.
Wie wurden die Profile von ernsthaft in der Sexarbeit tätigen Männern gefunden?
Um aus den knapp 20.000 Usern auf HUNQZ neben den kostenlosen Lust- und Phantasie-Profilen jene zu identifizieren, die Sexarbeit ernsthaft als ihr Einkommen betrachten, wurde der Bezahlstatus der Profile geprüft und anschließend die Angabe einer eigenen Sexarbeits-Website abgeglichen. Über beide Wege ergab sich ein Ergebnis von rund 5%, also 1000 männliche Sexarbeiter in Deutschland.
Im Städteabgleich stachen unter den angegebenen Arbeitsorten der männlichen Sexarbeiter insbesondere Berlin mit etwas über 20% sowie auch Hamburg hervor. Rund 86% der männlichen Sexarbeiter geben ein Alter zwischen 21 und 40 Jahren an.
Bottom oder Top?
Ein politisch inkorrektes Klischee unter schwulen Männer lautet, dass die meisten sogenannte „Bottoms“ sind, also der empfangende/passive Teil. Unter der Gesamtzahl der 20.000 Hunqz-Profile ist das Verhältnis zwischen Top und Bottom nahezu ausgeglichen. Bei den 5% der tatsächlichen Sexarbeiter wird das Klischee auch ein Stück weit bestätigt, denn es zeigt sich ein großer Überhang an Sexarbeitern die sich als Tops anbieten (ca. 45%) gegenüber jenen, die ihre Dienstleistung als Bottom verkaufen (knapp 9%).
Welche Entwicklungen sind im Bezug auf männliche Sexarbeit zur Corona-Krise zu sehen ?
Die Auswertungen bei HUNQZ bestätigen die These, dass Sexarbeit gerade in Krisenzeiten an Bedeutung gewinnt. Galt bis dahin ein Anstieg von 5% pro Jahr als normales Wachstum, verfünffachte sich die Zuwachsrate durch die Corona-Krise auf 25 %.
ROMEO und HUNQZ: Private und kommerzielle Sexualität friedlich nebeneinander?
Während andere Dating-Plattformen, so auch der mobile Marktführer Grindr, Sexarbeitende raus-ekeln und gerade im Netz regelrechte Hexenjagden stattfinden, macht ROMEO mit HUNQZ vor, wie es auch anders geht. Missbrauch wird zum Beispiel dadurch unterbunden, dass Hunqz-User keine Besuchertabs hinterlassen und damit Kunden „locken“ können.
Die beiden Plattformen sind einerseits deutlich voneinander abgegrenzt und andererseits gleichzeitig für alle zusammen nutzbar – alle können miteinander reden. So einfach kann es gehen, wenn man nur will.
Warum Diskriminierung von Sexarbeiterinnen gegen das Grundgesetz verstößt
/in Mitglieder-Blog/von Emma Sophie RoeEin Blogbeitrag von Sexarbeiterin und BesD-Mitglied Emma.
Disclaimer:
In meiner Argumentation liegt der Fokus auf Rollenvorstellungen zu binären Geschlechtern und auf weiblichen Sexarbeitenden.
Es gibt allerdings nicht nur weibliche Sexarbeiter*innen. Sexarbeit ist eine Tätigkeit, die von allen möglichen Geschlechtern ausgeübt wird, denn es gibt mehr Geschlechter als nur Männer und Frauen. Im Folgenden wird es allerdings um die binäre Konstruktion von Geschlechtern, also um Männer und Frauen gehen.
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Geschlecht (1) (soziales bzw. kulturelles Geschlecht/Gender) ist konstruiert. Im Fall unserer Kultur (westlich, christlich, kapitalistisch, patriarchal) ist diese Konstruktion die der `binären Geschlechter´ –> Mann und Frau.
Binär bedeutet `zweiteilig´ und `gegensätzlich´. Konstruktion bedeutet, ein Mensch ist nicht einfach ein Mann oder eine Frau. Sondern wird zum Mann oder zur Frau gemacht und macht sich dann selbst immer wieder zu diesem Geschlecht. Diese Konstruktion entsteht durch Sozialisation und durch die sogenannte Gender Performance (2). Dabei geht die Konstruktion der binären Geschlechter davon aus, dass es nur zwei Geschlechter gibt und, dass diese zwei Geschlechter grundsätzlich gegensätzlich zueinander sind. Diese Idee ist tief in unserer Gesellschaft und Kultur verankert und wird immer wieder reproduziert. Und dadurch, dass diese Idee nicht natürlich, sondern eine Konstruktion ist, muss sie immer wieder erneut konstruiert werden um bestehen zu bleiben. Denn was konstruiert ist kann auch dekonstruiert werden.
Teil dieser binär-geschlechtlichen Konstruktion sind bestimmte Merkmale, Eigenschaften und sogar Charakterzüge, die bestimmten Geschlechtern zugeordnet werden. Diese Zuordnung trägt dazu bei, das Konstrukt aufrecht zu halten. Was im Gegenzug bedeutet, dass diese Eigenschaften auch zur Dekonstruktion von binärgeschlechtlichen Rollenvorstellungen beitragen können. Diese Eigenschaften, Merkmale und Charakterzüge sind, genau wie die Geschlechter selbst, gegensätzlich zueinander.
Frauen wird dabei das Bedürfnis nach Liebe, natürliche Fürsorgefähigkeiten, Sanftheit und Unterwürfigkeit zugeordnet. Männern Härte, Dominanz, Kontrolle und ein starker `Sexualtrieb´(3). Weil diese Merkmale Teil dessen sind, was die binären Geschlechts-Konstruktion schafft und aufrechterhält, bedeutet das im Umkehrschluss, dass ein Mann nicht gleichzeitig ein `richtiger´ Mann sein kann und weibliche Merkmale ausweisen kann (4), und eine Frau keine `richtige´ Frau sein kann, wenn sie männliche Merkmale aufweist. Nach dieser Vorstellung ist mit Männern und ihrer Männlichkeit etwas falsch, wenn die sanft, liebevoll, fürsorglich, unterwürfig und emotional sind. Umgekehrt wird Frauen ihr Frausein, ihre Weiblichkeit, abgesprochen wenn sie dominant, kontrolliert, rational, hart, sexuell (und) selbstbestimmt ist. Männer werden dann abwertend als `schwul´ {sic!], Frauen als `Mannsweiber´ bezeichnet.
Dieser Konstruktion, dieser Zuschreibungen, finden sich natürlich auch im Bereich der Sexualität wieder. Sowohl in der sexuellen Orientierung als auch im Ausleben der eigenen Sexualität gibt es vergeschlechtlichte Vorstellungen davon, was im Bezug auf Sex und Sexualität entsprechend des jeweiligen Geschlechts, als `richtig´ oder `falsch´ gilt.
Betreffend der sexuellen Orientierung gilt, für beide binären Geschlechter, dass nur Heterosexualität die `natürliche´ und `normale´ Sexualität sei. Sich sexuell zum jeweils anderen binären Geschlecht hingezogen zu fühlen, wird als natürlicher Teil des Geschlechts selbst gesehen. Die `natürliche´ Konsequenz davon ein Mann zu sein bedeutet somit, sich sexuell zu Frauen hingezogen zu fühlen und umgekehrt (5). Deshalb sprechen wir von der sogenannten Heteronormativität, also von der Norm hetero zu sein (6).
Aber auch wie die eigene Sexualität innerhalb von Heterobeziehungen existiert und ausgelebt wird ist Teil der Konstruktion von Geschlecht. Denn die Merkmale, die Männern und Frauen jeweils und gegensätzlich zueinander zugeschrieben werden, spielen natürlich auch in ihrer Sexualität eine Rolle. Grundlegend ist dabei festzuhalten, dass Frauen abgesprochen wird überhaupt eine eigene selbstbestimmte, aktive und lustorientierte Sexualität zu haben (7). Damit wird ihnen auch ein eigenes Bedürfnis nach Sex abgesprochen. Wir erinnern uns, die `richtige´ Frau ist sanft, unterwürfig und liebend. Romantisch nicht sexuell. Ja, sie hat Sex. Aber nicht, weil sie das Bedürfnis nach sexueller Befriedigung hat. Sondern, weil sie Intimität, lieben und geliebt werden will. Sie hat zwar kein `natürliches´ Bedürfnis nach Sex, wohl aber danach Mutter zu werden. Und, entsprechend ihrer `weiblichen Unterwürfigkeit´, auch das Bedürfnis aus Liebe zu ihrem Partner seine sexuellen Bedürfnisse zu befriedigen. Denn dieser hat als Mann im Gegensatz zu ihr ein ausgeprägtes Bedürfnis nach Sex. So die heteronormative und binärgeschlechtliche Vorstellung.
Frauen haben nach dieser tief in unsere Kultur verankerten Vorstellung also keine eigene selbstbestimmte, pro-aktive Sexualität oder Kontrolle über ihre Sexualität. Sie nehmen Sex nur in Kauf, um von ihrem Partner geliebt zu werden, Intimität zu erleben, seine Bedürfnisse zu erfüllen und Mutter zu werden. Wenn das, wie in dieser Argumentation hergeleitet, Weiblichkeit und Frau sein ausmacht, dann können Frauen nicht gleichzeitig `richtige´ Frauen und Sexarbeiter*innen sein. Denn dann geht die Vorstellung davon, dass wir unsere Sexualität nutzen, nicht um unseren Partner romantisch nah sein zu wollen, oder Kinder zu zeugen, sondern stattdessen um Geld zu verdienen, gegen das, was unser Geschlecht ausmacht.
Hier vermute ich einen starken Einfluss, warum es vielen Menschen so viel leichter fällt Sexarbeiter*innen als Opfer zu sehen, statt als Arbeiter*innen. Denn als das werden Sexarbeiter*innen im öffentlichen Diskurs zu oft dargestellt, als un-selbstbestimmt und als Opfer. Auch wenn Sexarbeitende wiederholt darauf hinweisen, dass sie sich für ihre Arbeit entschieden haben, und dass nicht alle von ihnen Frauen sind. Das Bild der hilflosen, zu rettenden Frau die sexuell ausgebeutet wird, wenn sie Sex gegen Geld mit wechselnden Fremden hat, passt in dieses Narrativ von Weiblichkeit. Dieses Bild scheint Vielen um einiges logischer und glaubwürdiger zu erscheinen als das Bild der Arbeiter*in die selbstbestimmt und in der dazu Lage ist Entscheidungen über ihren Körper, ihrer Sexualität und ihrer Arbeit zu treffen.
Ich möchte argumentieren, dass sexarbeitende Frauen, die Ungleichbehandlung aufgrund ihrer Arbeit erfahren, eigentlich mittelbare Diskriminierung aufgrund ihres Geschlechts erfahren. Sie werden diskriminiert, weil sie sich nicht konform damit verhalten, was von dem ihnen zugeordneten Geschlecht und den dazugehörigen Merkmalen erwartet wird. Ähnlich wie Lara Adamietz, die in ihrer Doktorarbeit `Geschlecht als Erwartung´ darlegt, warum Menschen, die nicht in heteronormative Vorstellungen von cis Geschlechtlichkeit und Heterosexualität passen, eigentlich nicht direkt aufgrund ihrer Queerness diskriminiert werden. Sondern indirekt aufgrund ihres Geschlechts. Ihre Queerness steht im Wiederspruch zu binärgeschlechtlichen heteronormativen, und damit als `normal´ geltenden Vorstellungen von Geschlecht.
Sexarbeitende Frauen, so argumentiere ich weiter, werden, auch wenn sie als solche in keinem Anti-Diskriminierungsgesetz explizit genannt werden, trotzdem gesetzlich vor Diskriminierung geschützt. Denn Diskriminierung aufgrund des Geschlechts bzw. die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau ist sowohl im AGG als auch im Grundgesetz festgehalten. Deshalb argumentiere ich, dass die Diskriminierung von sexarbeitenden Frauen gegen das Grundgesetz verstößt, da es gegen die tatsächliche Gleichstellung von Mann und Frau verstößt.
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Fußnoten:
- Geschlecht, Gender oder auch soziales bzw. kulturelles Geschlecht: Im Englischen ist diese Definition leichter, weil es dort das Wort `Sex´ für das biologische Geschlecht und `Gender´ für das soziale/-kulturelle Geschlecht eines Menschen gibt. Im Deutschen haben wir nur ein Wort à Dies führt schnell dazu, dass das biologische Geschlecht und das sozial und kulturell konstruierte Geschlecht fälschlicherweise miteinander gleichgesetzt werden.
Dabei ist das soziale bzw. kulturelle Geschlecht unabhängig davon was seine biologischen und anatomischen Merkmale sind.
(2) Gender Performance = Gender Performance oder auch `doing gender´ ist die von Judith Butler in ihrem 1990 veröffentlichten Buch `Das Unbehagen der Geschlechter´ geprägte Idee, dass wir uns wie ein Geschlecht benehmen und dadurch als dieses Geschlecht wahrgenommen werden. Sei das wie wir uns anziehen, präsentieren, unsere Körpersprache, die Tonlage, in der wir sprechen, die Art wie wir kommunizieren, unsere Haare tragen, Sex haben, Konflikte angehen, wofür wir uns interessieren, wie wir Beziehungen führen und vieles mehr. All das ist geprägt von Erwartungshaltungen und vergeschlechtlichten Rollenvorstellungen. In all diesen Aspekten kann ein Mensch sich `wie eine Frau´ oder `wie ein Mann´ benehmen. Und indem wir uns so verhalten, wie sich unser Geschlecht nach der kulturellen und sozialen Vorstellung unseres Geschlechts verhalten sollte, tragen wir dazu bei, dass wir weiterhin als dieses Geschlecht wahrgenommen werden. Unser Geschlecht wird also dadurch, dass wir uns wie unser Geschlecht verhalten, in seiner Konstruktion aufrechterhalten.
(3) Die Polarisierung der Geschlechtercharaktere – Karin Hausen (1976)
(4) Mask Off Masculinity Redefined – JJ Bola (2019)
(5) Geschlecht als Erwartung – Das Geschlechtsdiskriminierungsverbot als Recht gegen Diskriminierung wegen der sexuellen Orientierung und der Geschlechtsidentität – Laura Adamietz (2010)
(6) Heteronormativität = Heteronormativität bezeichnet eine Weltanschauung, welche Heterosexualität als soziale Norm festlegt. Die Basis dessen ist eine binäre Geschlechterordnung, in welcher das anatomische/biologische Geschlecht mit dem sozialen bzw. kulturellem Geschlecht (also Gender), den Geschlechterrollen und sexueller Orientierung gleichgesetzt wird. Das heteronormative Geschlechtermodell geht von einer dualen Einteilung in Mann und Frau aus. Dabei wird als selbstverständlich angesehen, dass Heterosexualität vorgesehen ist und die einzig `normale´ und `natürliche´ Verhaltensweise ist.
(7) Die Sexualität der Frau im Vergleich zu den Anliegen der 68er-Bewegung – Bach 2012