Kundin und Sexarbeiterin lächeln, Foto von Felipe Balduino

Kundin schreibt Brief an Leni Breymaier zum Sexkaufverbot

Edith Mango ist sehr besorgt um die aktuelle Debatte zum Sexkaufverbot. Ihre Oma war nach 1945 für einige Zeit als Sexarbeiterin tätig. Edith selbst fasste erst durch Ihre Begegnungen mit Sexarbeitenden den Mut, ihren eigenen Weg zu gehen.

Deshalb wendet sie sich mit einem Brief an Leni Breymaier. Wir schätzen ihr Engagement sehr und danken ihr für ihr Vertrauen, den Brief hier veröffentlichen zu dürfen.

Brief von Edith Mango, veröffentlich mit ihrem Einverständnis. Hervorhebungen durch den BesD e.V. 

 

Sehr geehrte Frau Breymaier, 

ich wende mich heute vertrauensvoll an Sie, als Obfrau und ordentliches Mitglied im Ausschuss für Familie, Senioren, Frauen und Jugend des Bundes. 

Ihr Engagement, sich für das Leben und die Freiheit von Frauen einzusetzen, schätze ich sehr. Und ich denke, dass wir alle das gleiche Ziel haben, dass Femizide endlich gesellschaftlich geächtet und ein Ende haben müssen. Es widert mich an und macht mich traurig und wütend, dass es Menschenhandel und Zwangsprostitution gibt. 

Mit großer Bestürzung habe ich gelesen, dass es Pläne gibt, generell Kund:innen von Sexarbeiter:innen zu kriminalisieren. Deswegen schreibe ich Ihnen heute meine Empfindungen zu diesem Thema. 

Ich bin eine Frau und ich bin eine langjährige Kundin von Sexarbeit. Ich bin bald 50 und arbeite als Sekretärin im Gesundheitswesen. In dieser Zeit als Kundin von Sexarbeit habe ich sehr viele liebevolle, befreiende und stärkende Momente für mein weibliches Leben erfahren. Alle Menschen, bei denen ich Kundin war und bin, haben ihre Arbeit freiwillig, mit Spaß und unter sicheren Bedingungen getan. 

Ich habe sehr viele Jahre darüber nachgedacht, wie ich als Frau Sexualität und Intimität in einem sicheren Rahmen erleben kann. Mit Menschen, die den sexuellen Raum kennen und begleiten. Es ist wirklich immer sehr schön und gibt mir Mut. 

Da ich nicht von meiner Geburt an das Recht dazu hatte, ein weibliches Leben führen zu können, habe ich mich dazu erst als Erwachsene entschieden, dass ich in Wahrheit leben muss. 

Es ist nicht meine Entscheidung oder Wahl, eine Frau zu sein und ich glaube, Sie können mich verstehen. Es war notwendig für mich, nicht an diesem Widerspruch zu scheitern und gesund weiterleben zu können. Der Gesetzgeber verlangt bei einer Transition nach medizinischen Diagnosen und psychologischen Gutachten, um nach einem amtsgerichtlichen Vergleich legal leben zu dürfen. Ich habe alles getan, was ich tun musste und von mir verlangt wurde. Damit werde ich Ihnen wahrscheinlich nichts Neues sagen. 

Die Frauen, die ich als Kundin von Sexarbeit besucht habe, waren die ersten Menschen, die mich als Frau akzeptiert haben. 

Ohne Sexarbeit hätte ich nicht den Mut gehabt, meinen Weg gehen zu können und in Frieden zu leben. 

Ich habe einen sicheren Ort gebraucht, weil es Sicherheit und Akzeptanz in einer Beziehung oder in der Öffentlichkeit manchmal gab, aber zu oft auch nicht gab. 

Meiner Meinung nach sollten Politiker:innen auf Sexarbeiter:innen zugehen und mit ihnen reden. Darüber, was getan werden kann, um Femizide zu stoppen. Darüber, wie Frauen aus den Händen von Zwangsprostitution und Menschenhandel befreit werden können. Darüber, wie Sexarbeiter:innen von dem moralischen Stigma der Sünde befreit werden können. 

Diese Frauen leisten alle eine absolut wertvollen Beitrag für den Zusammenhalt einer freiheitlichen und demokratischen Gesellschaft. Sexarbeit gab es immer in der Menschheitsgeschichte und es ist bestimmt nicht realistisch, dass ein Verbot daran etwas ändern wird 

Wenn eine Ärztin, eine Richterin, eine Soldatin etc. verbeamtet ist, dann sollte eine Sexarbeiter:in erst recht diesen Status haben. 

Ich wünsche mir, dass wir als Gesellschaft uns dazu verpflichtet fühlen, Menschenhandel und Zwangsprostitution zu ächten und abzuschaffen. Das ist etwas anderes als Sexarbeit. Wir könnten es auch als Sexualassistenz für Menschen mit Handicap bezeichnen. Ich habe kein Handicap, aber ich werde so in einem medizinischen Sinne kategorisiert. 

Eine Kriminelle, die bin ich nicht. Und ich habe Angst davor, zu einer Kriminellen gemacht zu werden. Ich wünsche mir mehr Verständnis und mehr Miteinander – und ich denke, dass Sie das genauso sehen. 

Herzliche Grüße

Edith Mango