Stellungnahme zur Anhörung des BMFSFJ

Am 12.06.2014 findet im Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend (BMFSFJ) eine Anhörung zum Thema „Regulierung der Prostitution“ statt. Als der Berufsverband erotische und sexuelle Dienstleistungen (BesD e.V.) davon aus der Presse erfuhr, bat er sofort darum, als Sachverständige angehört zu werden. Wir wurden daraufhin von Frau Ministerin Schwesig eingeladen, bei der Anhörung zu sprechen. Im Vorfeld wurde uns und einigen anderen Vereinen und Einzelpersonen ein sehr umfangreicher Fragebogen des Familienministeriums zur Beantwortung zugeschickt.

Download: Stellungnahme des BesD e.V. [PDF, 192,8 kB]

Da die Anhörung selbst nicht öffentlich ist, wir die Öffentlichkeit aber dennoch über unsere Ansichten und Forderungen in Hinblick auf die Regulierungwünsche unseres Berufsfeldes informieren möchten, haben wir uns entschieden, unsere Stellungnahme im Vorfeld auf unserer Webseite zu veröffentlichen. Das PDF steht nun hier zum Download bereit. Wir gehen dort ausführlich auf unsere Ideen und Ziele ein.

Kurzer Überblick

Die Hauptziele des BesD e.V. sind die Entkriminalisierung der Sexarbeit und ihre berufliche Anerkennung, womit wir gleiche Berufsrechte meinen. Darüber steht der Wunsch, durch Gleichberechtigung zu einer Entstigmatisierung unserer Branche und zur Selbststärkung der Kolleg_innen beizutragen. Ihnen soll ein von Diskriminierung freies Leben sowie Zugang zu fairen Arbeitsbedingungen, Fortbildungsangeboten und sozialer Sicherheit ermöglicht werden.

In unserer Stellungnahme gehen wir ausführlich auf unsere Forderungen zum Strafrecht (StGB und EGStGB) ein. Denn anders als alle anderen legalen, durch Art. 12 GG geschützten Berufe wird Sexarbeit heute noch immer vornehmlich durch das Strafrecht und nicht etwa das Prostitutionsgesetz oder allgemeines Berufsrecht reguliert. Wir beziehen uns auf die Einzelnormen zu Ausbeutung, Zuhälterei und Menschenhandel sowie das Verbot der Prostitution, durch das sich Sperrgebietsverordnungen auf Landesebene legitimieren.

Ebenso wurden wir zu unseren Ansichten zum Gewerberecht (GewO), insbesondere zur Bordell-Konzessionierung und Registrierungspflicht für Sexdienstleistende befragt. Wir sprechen über die Vielfalt unserer Arbeitsstätten sowie über Arbeitsstandards, Rechtsunsicherheit und Behördenwillkür. Wir gehen auf unser Recht auf sexuelle Selbstbestimmung, Weisungsbefugnisse von Arbeitgebern und das für unseren Berufsstand geltende Werbeverbot ein.

Wir berühren die Themen Datenschutz und Schutz der Privatsphäre Sexdienstleistender, die vor dem Hintergrund von Zwangsoutings und Prostituiertenkarteien eine große Rolle für uns spielen. In den Karteien werden die bei Polizei-Razzien erhobenen personenbezogenen Daten gespeichert – unklar ist, wie lange, zu welchem Zweck und auf welcher Rechtsgrundlage. Dies führt uns auch zu einer generellen Betrachtung des Polizeirechts auf Landes- und Bundesebene.

Unter dem Stichpunkt „Gesundheit“ wurden wir zu Maßnahmen wie dem Kondomzwang und Zwangsuntersuchungen befragt. Wir schließen uns hier den Meinungen der Fachleute an, die Prävention durch Aufklärung (IfSG) der Prävention durch Zwang vorziehen. Dieses Vorgehen hat nachweislich größere Erfolge erzielt. Wir gehen außerdem auf die unschönen Methoden ein, mit denen die Landespolizei Bayern die dort bereits geltende Kondompflicht kontrolliert.

Abschließend sprechen wir uns für eine generelle Verbesserung der freiwilligen Beratungs- und Hilfsangebote für Sexdienstleistende, bzw. für eine sichere Finanzierung der existierenden Angebote aus. Eine Berufsberatung, die uns als Menschen und Erwerbstätige ernst nimmt, darf nicht beim Thema „Ausstieg“ enden. Wir benötigen Einstiegsberatung und Fortbildungsangebote, anonyme Gesundheitsvorsorge, Rechts- und Steuerberatung, Hilfe bei Wohnungssuche und Migrationswünschen. Vermitteler sollten in jedem Falle Menschen mit einer akzeptierenden Haltung gegenüber Sexarbeiter_innen sein.

Da viele Sexdienstleistende keine deutschen Staatsbürger sind, sollten diese Angebote unbedingt mehrsprachig sein. Sexdienstleistende sollten einbezogen und die Bildung von Berufsverbänden, Gewerkschaften und Kammern sollte im Sinne der Selbststärkung gefördert werden.