SPD Baden-Württemberg tickt anders – Podiumsdiskussion über Sexarbeit ohne Sexarbeitende

Kommentar der politischen Sprecherin des BesD, Johanna Weber

Es war ein zähes Ringen unter dem die Bundes-SPD das aktuelle Positionspapier zu Prostitution herausbrachte. Es schließt mit den Worten: „Ein Sexkaufverbot lehnen wir derzeit ab.“ (1)

Diese Botschaft scheint die Genoss*innen in Baden-Württemberg nicht zu interessieren. 

Die SPD in diesem Bundesland lädt für Freitag, den 8. Oktober 2021 zu einer Anti-Prostitutionsveranstaltung ein.
„Kirche und Politik im Gespräch: Freiheit und Verantwortung – Prostitution im Fokus“
Dies auf der offiziellen Parteiwebseite -> https://www.spd-bw.de/

Unser Berufsverband hält dieses eigenmächtige Handeln beim Thema Sexarbeit für bedenklich. Während für die stuttgartdominierten Retter*innen alle Sexarbeitende unter Zwang arbeiten, gibt die Bundes-SPD eine andere Richtung vor:
„Zum Schutz der in der Prostitution tätigen Personen braucht es klare und durchsetzbare Regeln. Für deren Ausgestaltung ist es von Bedeutung, ob eine Person freiwillig der Prostitution nachgeht, aus mehr oder weniger unfreiwilligen Gründen sexuelle Handlungen gegen Geld anbietet oder ob eine Person Opfer von Zwangsprostitution ist.“ (1)

Corona hat uns gelehrt, dass Bundesländer bei kontroversen Themen ganz eigene Wege gehen. Dies tut beim Thema Sexarbeit in Baden-Württemberg nicht nur die SPD, sondern auch die Grünen. In parteiübergreifender Einigkeit wird im Schwabenländle die Prostitution als ein großes zu beseitigendes Übel gesehen. Sexarbeitende sind Opfer – Kunden dieser Dienstleistung sind Täter.

Die vermeintliche Lösung ist das „Nordische Modell“, welches nicht nur unser Verband, sondern auch die Bundes-SPD als Sexkaufverbot bezeichnen. Es geht um eine strafrechtlich sehr interessante  Konstruktion einer einseitige Kriminalisierung. Sexarbeitende selber dürfen ihre Dienstleistung anbieten, Kunden jedoch machen sich strafbar. Früher wurde dafür der Begriff Freierbestrafung verwendet.

Die Prostitutionsgegner*innen in Baden-Württemberg sind sehr gut vernetzt. Es geht über die Landes- und Kommunalpolitik, Gesundheitswesen, Polizei, Beratungsstellen und Kirchen. Sogar der paritätische Wohlfahrtsverband hat Zuwendungen für die von unserem Verband organisierte Sexarbeits-Konferenz in Stuttgart abgelehnt. Dies obwohl der Paritätische selbige Konferenz vor sechs Jahren in Berlin sehr wohlwollend unterstützt hat.

Auf der nun stattfindenden Veranstaltung soll es um Kirche und Politik gehen.

Die Kirche ist sich zum Thema Prostitution nicht einig. Maria Lohende von der Diakonie Deutschland sagt: „Verbote verhindern weder Prostitution, noch dämmen sie ihre negativen Auswirkungen ein. Wo tatsächlich Zwang und Gewalt eine Rolle spielen, bieten Verbote keinen Schutz. Für die Wirksamkeit des Nordischen Modells gibt es keine sicheren Belege. Stattdessen findet Prostitution in der Illegalität statt. Ein Sexkaufverbot erhöht das Risiko, ausgebeutet oder Opfer einer Gewalttat zu werden. Die Arbeitsbedingungen würden sich verschlechtern und die Stigmatisierung zunehmen.“ (2)

Die genannte Podiumsdiskussion erweckt den Eindruck, man wolle sich sachlich mit dem Thema „Prostitution“ auseinandersetzen. Das „nordische Modell“ wird hier aber schon als Lösung vorgegeben.

Die angebliche Diskussion wird zu einer gegenseitigen Bestätigung des eigenen Weltbildes zu Prostitution. Es geht nicht darum Sexarbeitenden zu helfen, sie zu schützen oder gar zu „retten“. Gerettet werden sollen bürgerliche und christliche Wertvorstellungen.

Unser Verband ist gerne bereit auch über kontroverse Fragestellungen zu diskutieren, denn auch wir wissen, dass die Sexarbeit viele Problemstellungen aufweist. Wer allerdings die Probleme in der prekären Sexarbeit angehen möchte, muss einen sozialpolitischen Diskurs führen und keinen Strafrechtlichen.

Auf dieser Veranstaltung sind keine Sexarbeitenden als Experten eingeladen.

Es wird wieder einmal ÜBER uns geredet und nicht MIT uns.

Eine Schande für die SPD 

 


(1) Positionspapier der SPD
Parteivorstand 16.11.2020
Titel: Mehr Schutz, Beratungs und Ausstiegshilfen in der Prostitution
https://www.spd.de/fileadmin/Dokumente/Beschluesse/Matrix_2021/SPD_Beschluss_Familienpolitik_Prostitution.pdf

(2) Diakonie Deutschland für mehr Unterstützung statt Sexkaufverbot!
5.10.2020
https://www.diakonie.de/pressemeldungen/diakonie-fuer-mehr-unterstuetzung-statt-sexkaufverbot