Freierbestrafung durch die Hintertür: Petition gegen die leise und heimlich umgesetzte Verschärfung des Prostituiertenschutzgesetzes


Worum geht es? 

Der Deutsche Bundestag hat in einer Nacht- und Nebelaktion im Juni letzten Jahres die Verschärfung der Freierbestrafung beschlossen. Die gesetzliche Neufassung trat bereits am 1. Oktober 2021 in Kraft. Die Gesetzesänderung wurde ohne Abwarten der Evaluation des Prostituiertenschutzgesetzes, ohne Expertenanhörung und ohne Beratung im Ausschuss durchgedrückt.

Mit solchen Methoden wird das durch die Mehrheit der Bevölkerung abgelehnte „Sexkaufverbot“ (auch: Prostitutionsverbot, Schwedisches Modell, Nordisches Modell) durch die Hintertür eingeführt beziehungsweise möglich gemacht.

Was bedeutet das für Kund*innen von Sexarbeitenden?

Während es bisher nur bestraft werden konnte, vorsätzlich die Dienste einer „Zwangsprostituierten, eines Menschenhandelsopfers oder einer Sexarbeiterin in Not“ in Anspruch zu nehmen, wurde mit der Gesetzesverschärfung der Tatbestand der Leichtfertigkeit eingeführt.

§ 232a Abs. 6 StGB: (…) Verkennt der Täter bei der sexuellen Handlung zumindest leichtfertig die Umstände des Satzes 1 Nummer 1 oder 2 oder die persönliche oder wirtschaftliche Zwangslage des Opfers oder dessen Hilfslosigkeit (…)

Der Teil der Bevölkerung, der sexuelle Dienstleistungen beansprucht, wird durch die Gesetzesänderung unter Generalverdacht gestellt und kriminalisiert. Das Gesetz gibt keinerlei Hinweise hierzu, wie Kund*innen eine unter Zwang handelnde Sexarbeitende erkennen sollen.

Ist die Gesetzesverschärfung hilfreich für Sexarbeitende, die Opfer von Straftaten sind?

Verbotspolitik führt für Sexarbeitende generell zu mehr Vulnerabilität und schlechteren Arbeitsbedingungen sowie einer Zunahme an gesellschaftlicher Ausgrenzung, Diskriminierung und Stigmatisierung. –> Mehr zum „Schwedischen Modell“ und seinen Auswirkungen sowie Berichte von Betroffenen

Gerade falls jemand zur Sexarbeit gezwungen wird, also nicht freiwillig tätig ist, wird diese Person bemüht sein, nicht von Kunden oder amtlichen Stellen identifiziert zu werden und sich dadurch zusätzlicher Gefahr (bspw. Abschiebung) oder Rachemaßnahmen der sie bedrohenden Kriminellen auszusetzen.

Vor allem bei migrantischen Sexarbeitenden, die immerhin einen Großteil der in der Sexarbeit tätigen Menschen bilden, kommt einiges an Widerständen zusammen: Rassismus und Fremdenfeindlichkeit, Prekarität aufgrund ihres Migrationsstatus, mangelnden Zugang zu Gesundheits- und anderen Diensten, Anfälligkeit für Ausbeutung und Gewalt sowie für das Risiko von Inhaftierungen und Abschiebungen.

Um psychische und physische Ausbeutung gezielt zu bekämpfen, sind keine Verbote und Strafen, sondern die finanzielle Förderung und personelle Unterstützung von niedrigschwelligen Hilfs- und Unterstützungsangebote (Fachberatungsstellen, Peer-to-Peer-Unterstützung, etc.) ausschlaggebend. Zudem sind eine Gleichbehandlung vor dem Gesetz und eine Entstigmatisierung des Berufsstandes in der Gesellschaft laut Studien die nachweislich besten Werkzeuge gegen Gewalt und Ausbeutung in der Sexarbeit.

Was können wir tun?

Mit der Kampagne „Bringt das in Ordnung!“ will der BSD (Bundesverband Sexuelle Dienstleistungen) die Öffentlichkeit auf die Verschärfung der Freierstrafbarkeit aufmerksam machen und unterstützt gleichzeitig die Verfassungsbeschwerde zweier Sexarbeits-Kunden gegen die gesetzliche Änderung.

Neben dem Berufsverband wird die Kampagne unter anderem bereits von dem europäischen Netzwerk für migrantische Sexarbeitende TAMPEP, der Fachberatungsstelle für Sexarbeitende Phoenix e.V. sowie dem Berliner Verein move e.V. unterstützt.

Unterschreibt und teilt die Petition, um die Kampagne zu unterstützen und ein Zeichen gegen Verbotspolitik und Freierbestrafung zu setzen: