Sexkaufverbot: Problemlösung oder Mogelpackung?

Blogbeitrag von Sexarbeiterin und BesD-Mitglied Fräulein Angelina.


Derzeit geht es einigen Politiker*innen darum, in Deutschland ein Sexkaufverbot nach dem Vorbild des Nordischen Modells einzuführen. Das würde bedeuten, dass sich Personen, die sexuelle Dienstleistungen in Anspruch nehmen, künftig strafbar machen. Das Anbieten dieser Dienstleistungen, so wird immer eilig hinzugefügt, solle aber straffrei bleiben; die Dienstleistenden, sprich: die Prostituierten blieben legal.

Nun fragt man sich: Was möchte dieses Modell eigentlich bewirken? Soll hier Prostitution abgeschafft werden? Nicht einmal die Befürworter des Sexkaufverbots, wie beispielsweise CSU Politikerin Bär, glauben, dass das eine Möglichkeit wäre. Auch wenn sie es sich vielleicht wünschen würden.


Konsequenzen einer Freierbestrafung: Der Preis für eure moralische Überlegenheit ist zu hoch!

Eine praktische Umsetzung des Sexkaufverbots würde für Sexarbeiter*innen finanzielle Einbußen bedeuten, da Kunden ausblieben. Des weiteren würden ihre sicheren Arbeitsplätze wegfallen, denn Bordelle, Laufhäuser, Studios usw. müssten schließen. Was bliebe, wären im besten Fall Privatwohnungen, oder aber Autos bzw. für diese Zwecke illegal genutzte Räumlichkeiten, öffentliche Orte, Parkanlagen… der Fantasie sind hier keine Grenzen gesetzt, aber es ist nicht besonders schön dort, wo es die hinlenkt.

Was die Kunden betrifft, so bleiben am Ende noch diejenigen übrig, die es mit Recht und Ordnung ohnehin nicht so genau nehmen und die sich von Verboten nicht so leicht abhalten lassen. Das sind sicherlich nicht die angenehmsten Kunden, aber was soll man tun, die Rechtschaffenen bleiben ja weg und Geld muss verdient werden.

Doch nicht nur das. Bei dem angedachten Modell steht außerdem als wesentlicher Punkt im Vordergrund, Zuhälterei zu unterbinden. Was per Gesetz übrigens auch jetzt schon illegal ist. Der Zuhälterei bezichtigt werden können unter dem Nordischen Modell jedoch auch zum Beispiel Taxifahrer, die Sexarbeitende zu einem Termin fahren, Wohnungsvermieter, sowie sogar die beste Freundin, der man aus Sicherheitsgründen die Nummer des Hotelzimmers durchgibt, in dem man sich mit dem (womöglich dubiosen) Kunden verabredet hat.

All diese Punkte machen deutlich, dass die Arbeit um einiges unsicherer würde. Dem Schutz von Prostituierten dient ein solches Verbot also eindeutig nicht.

Was bewirken Verbote eigentlich generell?

Diverse Prohibitionsmanöver der Geschichte haben gezeigt, dass die verbotenen Güter oder Aktivitäten lediglich in den Untergrund abrutschen, die Kriminalität also steigt.

Ein besonders bekanntes Beispiel ist die Alkohol-Prohibition in den USA der 30er Jahre. Weniger getrunken wurde nicht, dafür gab es zahlreiche Opfer nicht nur der Mafia, sondern auch von unsachgemäß hergestellten alkoholischen Produkten.

De facto wird am Ende lediglich die sichtbare Prostitution eingedämmt. Das sieht dann oberflächlich betrachtet hübsch ordentlich aus, und einige Politiker*innen können sich auf die Schulter klopfen, da ein paar Zahlen den Erfolg ihres Durchgreifens zu unterstreichen scheinen. Das ist aber auch schon alles, wie Studien gezeigt haben.

Propagiert wird das Sexkaufverbot auch über das Argument, Ausstiegsangebote und Beratungsstellen für insbesondere von Zwangsprostitution und Menschenhandel betroffene Personen ausbauen zu wollen. Das ist im Grunde eine sinnvolle Absicht. Hier fragt man sich allerdings, weshalb es dafür eines neuen Gesetzes bedarf oder gar eines Verbots. Gelder können – und sollten! – am besten doch sofort und direkt investiert werden in Angebote oder Maßnahmen, die es bestenfalls allen Menschen ermöglichen, sich aus einer Zwangslage zu befreien. Wozu denn auf ein neues Gesetz warten, bevor das geschieht?

Wenn also klar ist, dass Prostitution niemals vollständig verschwinden wird, ein Verbot nicht den Kern des Problems angeht, sondern stattdessen nur die Sicherheit der angeblich zu schützenden Personen verschlechtert, wenn die sinnvollen und hilfreichen Maßnahmen ganz unabhängig von einem solchen neu eingeführten Modell (und damit auch viel schneller) eingerichtet werden können – ja was zum Teufel ist denn dann eigentlich das Motiv der Befürworter*innen dieses Sexkaufverbots?

Da sie selbst es natürlich abstreiten und stets nur auf die schlimmen Zustände in der Prostitution hinweisen, meist untermalt mit der Darstellung von Gewaltszenarien, (die im übrigen bereits verboten sind), können wir nur spekulieren, dass es hier um eigene Interessen geht.


CDU/CSU gefällt sich in der Rolle des hart durchgreifenden Moralapostels

Und da das Modell ja außerdem noch als „feministisch“ verkauft werden soll (da Prostitution angeblich immer Vergewaltigung sowie Ausbeutung von Frauen sei, ohne Wenn und Aber) ziehen andere Parteien gern mit, denn niemand möchte so dastehen, als sei er für die Ausbeutung von Frauen.

Es scheint hier doch irgendwie in großem Maße um Profilierung zu gehen, ausgetragen auf dem Rücken von Sexarbeitenden, denn die nimmt ja sowieso niemand ernst. Prostituierte sind in diesem Weltbild nämlich immer und ausschließlich Opfer (ein sehr bedenkliches Frauenbild!).

Und denen, die die Arbeit freiwillig und selbstbestimmt machen und sich gegen dieses Bild wehren, wird in dieser Debatte permanent über den Mund gefahren mit den Worten „du bist privilegiert“. Sexworkerin in einer nicht prekären Situation zu sein, das scheint zu bedeuten, dass man weder Ahnung von der Materie hat, noch die Berechtigung, sich für die legale Ausübung von Prostitution einzusetzen, denn mit diesem Ansinnen würden wir ja die Augen verschließen vor all den schrecklichen Zuständen, die dort draußen herrschen.

Doch wie schon oben erwähnt: Wir sind uns alle einig, dass gegen Zwangsprostitution und Menschenhandel vorgegangen werden muss und es Anlaufstellen und Hilfsangebote sowie Ausstiegskonzepte für betroffene Personen geben muss. An diesem Zweig der Debatte wollen wir doch alle dasselbe.

Zudem: selbstverständlich befinde ich mich in einer privilegierten Position. Das ist mir und all denen, die die Möglichkeit haben, sich in unserer Freizeit für die Rechte von Sexarbeitenden einzusetzen, ja auch vollkommen bewusst. Uns wird ein Sexkaufverbot, das de facto einem Berufsverbot gleichkommt, nicht ins Elend reißen. Wir haben entweder bereits einen stabilen Kundenstamm, den wir beibehalten könnten in sicheren Räumlichkeiten, oder wir satteln um und machen etwas anderes.

Richtig hart treffen wird es mal wieder Personen in prekäreren Situationen, Personen mit weniger Sprachkenntnissen, sozialem Rückhalt, finanziellen Ressourcen. Und auch aus diesem Grund ist ein Sexkaufverbot abzulehnen.

Und dennoch: auch unsere Forderungen – aus privilegierter Situation formuliert oder nicht – verdienen Gehör, denn das Recht auf freie Berufswahl ist immerhin ein Grundrecht. Auch uns würde gegen unseren Willen unsere Einkommensquelle, also unsere Lebensgrundlage genommen, autorisiert durch ein fadenscheiniges Verbot. Wir wehren uns gegen die Stigmatisierung, die bereits existiert und unseren Alltag beeinflusst, die das Modell aber noch verstärken würde, und wir wehren uns vehement gegen den stets automatisch aufgedrückten Opfer-Stempel.

Ein Sexkaufverbot und die daraus resultierende Erwerbslosigkeit betrifft zudem zu einem hohen Prozentsatz hauptsächlich Frauen.

All diese von den Befürworter*innen des Sexkaufverbots nur zu leichtfertig in Kauf genommenen „Kollateralschäden“ sind ein Angriff auf die Gleichberechtigung und Gleichstellung vor allem von Frauen innerhalb der Gesellschaft. Das alles darf nicht irrelevant sein.


Ich kann ein Sexkaufverbot nur klar und deutlich ablehnen


Die negativen Konsequenzen wären zu gravierend und zu weitreichend.

Die positiven Auswirkungen würden sich auf nicht mehr als aufgehübschte Statistiken und ein Gefühl moralischer Überlegenheit unter Prostitutionsgegnern beschränken.

Damit ist aber am Ende des Tages absolut niemandem geholfen, schon gar nicht jenen Personen, denen vorgeblich geholfen werden soll. Stattdessen sollte eine klare Trennung zwischen Sexarbeit und Zwangsprostituation gehalten und beide Themenfelder gesondert behandelt werden. Der Ausbau von Hilfsangeboten muss unabhängig von der Gesetzeslage verbessert werden, und es muss ein Fokus auf die Lösung der Frage gesetzt werden, wie Aufklärung und Entstigmatisierung erfolgen können.

In diesem Sinne hoffe ich darauf, dass endlich informiert, pragmatisch und lösungsorientiert an die Sache herangegangen wird und nicht wie bisher auf der Basis fragwürdigen Moralaposteltums und narzisstischer Rettermentalität.