„Wir leben in einem gewalttätigen System“ – Amnesty-Report zeigt Folgen von Sexkaufverbot in Irland

Seit 2017 gilt in Irland ein Sexkaufverbot. Eine einseitige Kriminalisierung, bei der Sexarbeitende ihre Dienste anbieten dürfen, Kund*innen sich aber strafbar machen. Fünf Jahre später steht eine Evaluation des Gesetzes an.

Erklärtes Ziel der irischen Regierung war es, mit dem Sexkaufverbot den Menschenhandel zum Zwecke der sexuellen Ausbeutung besser zu bekämpfen und es Sexarbeiter*innen zu erleichtern, Gewalt anzuzeigen. Amnesty International hat sich hingegen schon 2016 generell für die Entkriminalisierung von Sexarbeit ausgesprochen.

Der aktuelle Bericht von Amnesty Ireland zeigt nun konkret auf, wie sehr die Stigmatisierung und der in Irland geltende Rechtsrahmen Sexarbeiter*innen schaden.

Amnesty Ireland hat dazu eine Zusammenfassung auf ihrem Twitter-Account gepostet – hier die Übersetzung dieser Tweets für einen schnellen Überblick:

Strukturelle Gewalt gegen Sexarbeitende in Irland  – Was unsere Untersuchungen ergeben haben: 

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Gesetzeslage: Der Criminal Law Sexual Offences Act  von 1993 wurde 2017 ergänzt – seitdem ist  der Kauf von Sex unter Strafe gestellt.

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In den Abschnitten 10 und 11 des Gesetzes von 1993 wurde bereits der „Lebensunterhalt durch Einnahmen aus der Prostitution“ und „Bordellbetrieb“ unter Strafe gestellt, wobei der Begriff auf zwei oder mehr Sexarbeiter*innen zutrifft, die in denselben Räumlichkeiten sexuelle Dienstleistungen anbieten.

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Die Mehrheit der befragten Sexarbeitenden bezeichnete die gemeinsame Nutzung von Räumlichkeiten mit Kolleg*innen als eine nützliche Sicherheitsmaßnahme gegen mögliche Gewalterfahrungen. Das Gesetz hindert sie daran, diese Sicherheitsmaßnahme umzusetzen.

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Die Gesetze zwingen Sexarbeitende aufgrund der Kriminalisierung von Kunden (Freierbestrafung) zu riskanteren Verhaltensweisen. „Ich habe mich in einer sehr diskreten Sackgasse hingestellt, so dass ich von der Polizei nicht gefunden werden kann. Aber ich hätte keinen Fluchtweg gehabt, wenn etwas schief gegangen wäre. Das war eine direkte Folge der Kriminalisierung von Kunden.“

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Unsere Recherchen ergaben auch, dass unter Sexarbeitenden ein tiefes Misstrauen gegenüber der Polizei herscht. Die Befragten gaben unter anderem folgende Gründe an, warum sie es vorziehen, nicht mit der Polizei in Kontakt zu kommen auch wenn sie Gewalt erfahren:

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– mangelndes Vertrauen in deren Arbeit
– Angst vor Gewalt durch die Polizei
– Angst vor Stigmatisierung
– Benachrichtigung des Vermieters oder gezielte Angriffe, die zu einer Zwangsräumung führen
– Obdachlosigkeit sowie Kriminalisierung, wobei besondere Risiken für migrantische Sexarbeitende genannt wurden

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Sexarbeitende müssen bei der Entwicklung von Gesetzen, Verordnungen oder Programmen, die sie und ihre Menschenrechte betreffen, sinnvoll mit einbezogen werden. Das heißt, dass aktive Sexarbeitende, solche aus Randgruppen und diejenigen, die von Diskriminierung betroffen sind, involviert sein müssen.

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Sexarbeitende nannten auch das Recht auf eine angemessene Unterkunft als ein wichtiges Menschenrechtsanliegen. Weitere Punkte waren die Stigmatisierung von Sexarbeitenden und die erlebte Mehrfach-Diskriminierung, z. B. aufgrund von ethnischer Zugehörigkeit, Herkunft, Geschlecht und Geschlechtsidentität, sozioökonomischen Umständen, Migrationsstatus oder Drogenkonsum.

-> Berichte aus anderen Ländern und weitere Informationen rund um den Themenkomplex „Schwedisches Modell“


-> Positionierung von Amnesty International (2016)
-> „We Live Within a Violent System“ – Report von Amnesty Irland (2022)