Internationaler Hurentag: Am 2. Juni kämpfen Sexarbeiter*innen weltweit für ihre Rechte

Am 2. Juni 1975 besetzten über hundert Prostituierte in der französischen Stadt Lyon eine Kirche, um auf ihre untragbaren Lebens- und Arbeitsbedingungen aufmerksam zu machen. Seit der Ermordung zweier Kolleginnen im vorangegangenen Jahr fürchteten die Frauen um ihr Leben und hatten die Regierung mehrfach erfolglos um Hilfe gebeten. Die Anliegen der Protestierenden von damals sind heute auch in Deutschland dringlicher denn je. Neben anderen Aktionen zum Internationalen Hurentag findet am 01. Juni in Berlin die „Whores‘ Parade“ statt. Ab 13:00 Uhr marschieren Sexarbeitende und ihre Unterstützer*innen von der Großgörschenstraße 12 in Schöneberg gemeinsam los, um gegen die Stigmatisierung von Sexarbeit und gegen sexuelle Gewalt zu protestieren – nach der Parade geht die Aktion mit einer Soli-Party in der Berliner Eventlocation „Father Graham“ weiter.

Der globale Trend hin zu politischem Konservatismus und postfaktischer Politik führt in den vergangenen Jahren dazu, dass Machthaber in Europa übermäßig auf das Strafgesetz zur Lösung sozialer und gesellschaftlicher Probleme setzen. Das Nordische Modell kriminalisiert einvernehmlichen Sex gegen Geld und wird von der mächtigen Lobby der Prostitutionsgegner*innen europaweit als Methode zur Verhinderung des Menschenhandels angepriesen. Während Belege für eine verbesserte Strafverfolgung von Menschenhandel innerhalb oder außerhalb der Sexarbeitsbranche fehlen, zeigen Studien, Evaluationen und Community Reports sehr deutlich die negativen Auswirkungen für Menschen in der Sexarbeit.

Seit 2017 ist auch Deutschland von dem Kriminalisierungs-Trend betroffen: Das sogenannte Prostituiertenschutzgesetz verschärft die Stigmatisierung und Diskriminierung von Sexarbeiter*innen und erschwert menschenwürdige Arbeitsbedingungen. Zwei Jahre nach der Einführung fällt auch die Bilanz der Evaluation des Gesetzes in NRW dementsprechend negativ aus.

Akademiker*innen, Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International, LGBTI+-Organisationen, Sexworker-Verbände, Organisationen zur Bekämpfung des Menschenhandels sowie Kooperationen der Vereinten Nationen wie WHO und UNAIDS dokumentieren bereits seit Jahren die negativen Auswirkungen der Kriminalisierung von Sexarbeit. In Ländern wie Schweden, Norwegen und Frankreich kämpfen Sexarbeiter*innen unermüdlich um ihre Persönlichkeitsrechte, Arbeitsrechte und ihre Sicherheit. Während Verfechter*innen das Nordische Modell als Methode zum „Schutz der Schwächsten“ inszenieren, zeigen die repressiven Gesetzgebungen in Wirklichkeit besonders fatale Folgen für die große Gruppe der in der Sexarbeit tätigen Migrant*innen.

Die Geschichte wiederholt sich: Nachdem Frankreich 1960 die UN-Konvention zur „Unterbindung des Menschenhandels und der Ausnutzung der Prostitution anderer“ unterzeichnet hatte, gerieten Sexarbeiter*innen zunehmend unter Druck. Die Strafmaßnahmen des Staates und die gesellschaftliche Diskriminierung erreichten in den 70er Jahren einen damaligen Höhepunkt. Sexarbeiter*innen mussten aus berechtigter Angst vor Verhaftung ihre Arbeit im Verborgenen ausüben und damit das erhöhte Risiko von Gewalttaten in Kauf nehmen. Das gemeinsame Anmieten von Wohnungen konnte die Verurteilung wegen Kuppelei oder Zuhälterei nach sich ziehen. In Folge prägten Gewalt, Polizei-Schikanen und die damit verbundene massive Verdrängung von Sexarbeit aus dem öffentlichem Raum den Alltag von Sexarbeiter*innen in Frankreich.

Die Signalwirkung der Proteste in Lyon bleibt desweilen bestehen – der französische „Hurenstreik“ gilt als Ausgangspunkt der weltweiten Bewegung für Rechte von Sexarbeiter*innen, deren Engagement auch heute mehr als nötig ist.

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