Aufklärung statt Abhängigkeit: Zum Kampf gegen Loverboys

Auf Einladung von Nadeschda (Frauenberatungsstelle für Opfer von Menschenhandel) und Theodora (Beratungsstelle für Frauen in der Prostitution) nahm ich am 8. Oktober als Rednerin am Runden Tisch OWL in Bielefeld teil.

Das diesjährige Schwerpunktthema: Die Loverboy-Methode. 

Der weitaus üblichste Einstieg in die Prostitution geschieht nach wie vor ganz anders – zum Beispiel über die Berichte von Bekannten oder Freund*innen, die das auch machen und damit ganz gut fahren. Soll heißen: Die Loverboy-Methode ist zum Glück kein Massenphänomen. Doch sogenannte „Loverboys“ und ihre Opfer sind sehr wohl ein Thema, das unserer Aufmerksamkeit bedarf.

Emotionale Abhängigkeit und Druckmittel

Das Prinzip der emotionalen Abhängigkeit, die einer Beziehung mit einem Loverboy zugrunde liegt, ist recht weit verbreitet.

Auch ich habe ewig in solchen Verstrickungen von Beziehungen verweilt, ohne wirtschaftliche Abhängigkeit. Emotional reicht! Und ich habe lange gebraucht, um mich von diesem Unsinn endlich zu befreien. Eine wirtschaftliche Abhängigkeit kann, aber muss nicht zwangsweise in solchen Beziehungen vorhanden sein.

Wie leider so oft, ist mal wieder der Partner der Täter. Vor allem Frauen sind noch viel zu oft (sexueller) Gewalt in ihrem Heim ausgesetzt und schützen gleichzeitig allzu oft ihre Peiniger. Fälle von Beziehungssucht kennt man auch aus anderen kriminellen Zusammenhängen, z.B. den Missbrauch als Drogenkurier oder für niedere/schwere Arbeit. Bei der Loverboy-Methode sehen wir ähnliche Konstellationen wie z.B. beim Heiratsschwindel:

Eine rosige, gemeinsame Zukunft wird dermaßen in den Himmel gelobt und fest in Emotion und Kopf verankert, dass das ganze Leben und Erleben darauf ausgerichtet wird, dieses vermeintliche Ziel zu erreichen. Auf diese Art und Weise wird ein Druckmittel erzeugt, mit dem durch die Hintertür eine Freiwilligkeit erzeugt wird, die letztlich keine ist.

Es ist ähnlich wie mit dem Esel und der Möhre am Stock, die vor seiner Nase baumelt und doch nie erreicht werden kann.

Opfer der Loverboy-Methode befinden sich immer in defizitären Situationen.

Sei es die Verunsicherung in Teeny-Jahren, wenn es kaum geeignete Personen im nahen Umfeld gibt, oder seien es, wie in letzter Zeit häufiger zu beobachten, Migrant*innen die ihre Rechte als Flüchtende, Migrierende oder (Sex-)arbeitende nicht kennen. Betroffene haben oft keine eigene Zukunftsperspektive oder keinen Job. Sie nehmen die mit rosa Zuckerguss garnierte Schwindelei nur allzu begierig in sich auf und internalisieren sie, anstatt eine eigene Vision der Zukunft oder berufliche Perspektive zu entwickeln.

Wo also fangen wir an zu intervenieren? Wie und wo können wir diese Menschen erreichen, abholen, ihnen helfen?

Loverboys nutzen ganz klar emotionale Abhängigkeit aus – das Opfer wird dadurch fremdbestimmt zu einer Handlung getrieben. Sie üben dadurch eine Form der sexualisierten Gewalt aus, diese sogenannte „dirigistische Zuhälterei“ ist nach §181 StGB strafbar.

Wir brauchen keine neuen Gesetze, um Betroffene vor der Loverboy-Methode zu schützen, sondern müssen die bestehenden Gesetze lediglich anwenden. Da ist dann eben auch die jeweilige Politik einer Stadt oder eines Landkreises gefragt – sie stellt die Mittel für die zuständigen Behörden zur Verfügung und untermauert damit eine entsprechende Dringlichkeit.

Aufklärung: Für eine freie und selbstbestimmte Sexarbeit

Frauen sind keine Ware – richtig! Frisöre auch nicht. Man nennt so etwas Dienstleistung (In einem kapitalistischen System über den „Zwang“ von Lohnarbeit zu diskutieren, geht mir in dieser speziellen Debatte zu weit). Ganz egal ob davon Miete und Essen oder das Gucci Täschchen finanziert wird : Wir sind bezahlbar, nicht käuflich!

Sexarbeit die als Folge der Loverboy-Methode „geleistet“ wird, ist hingegen weder frei noch selbstbestimmt. 

Leider wird, wenn es um Loverboys geht, derzeit fast nur eine Stimme offiziell gehört. Der Landtag NRW lud im Sommer 2019  Sandra Norak als traumatisierte Betroffene zur offiziellen Anhörung „Entwicklung der sogenannten Loverboy-Methode zur Erzwingung von Prostitution in Nordrhein-Westfalen“ ein. Doch Norak spricht sich nicht nur gegen Loverboys aus, sondern fordert ein generelles Sexkaufverbot und die Abschaffung von Sexarbeit.

Noraks Sicht der Dinge medienwirksam als „DIE Wahrheit der Opfer von Loverboys“ dargestellt – dabei gibt es etliche andere Betroffene, die aber zu anderen Schlüssen kommen. Ist ja nicht so, dass diese Leute nicht bereit wären solcherlei wichtige politische Arbeit auch zu machen! Meine Kollegin und ehemalige Sexarbeiterin Susanne schreibt zum Beispiel hier von ihren Erfahrungen und warum sie gerade deshalb GEGEN ein Sexkaufverbot ist.  Wäre es nicht mal angebracht auch andere Betroffene mal offiziell an zu hören?

Wissen an die Hand geben, helfen, coachen, unterstützen.

Was schon im Vorfeld und Betroffenen hilft, ist: Aufklärung! Wer sich selbst genug akzeptiert und liebt, ist immun gegen dieses Gesülze der Loverboys. Und da brauchen wir Wissen, Informationen und Skills um uns ganz klar zu definieren um eben nicht auf Gedeih und Verderb irgendwo irgendwem zu irgendwelchen grausigen Bedingungen ausgeliefert zu sein. Fachkonferenzen plädieren für die vernetzte und abgestimmte Zusammenarbeit verschiedener Stellen, wie Jugendamt, Fachberatungsstellen, Polizei etc.

Gefragt sind hier auch sowohl der außer- als auch der innerschulische Bereich der Mädchen- und Jugendarbeit.

Mädchen und Frauen müssen von Jugend an gestärkt und gefördert werden.

Wir brauchen Frauen und Mädchen mit einem eigenen Selbstbewusstsein, nicht länger nach Zuwendung von außen lechzend. Wir brauchen keine schlafenden, wartenden und bangenden Prinzessinnen sondern Mädchen, die sich selbst als so furchtlos, großartig und frei fühlen wie es meist nur Jungs beigebracht wird!

Es ist noch nicht allzu lange her, dass ein Mädchen für ihre Zeichnung mit der Prinzessin mit  dem Schwert ganz offiziell in der Schule gerügt wurde, das sei so nicht richtig. Da werden zum Teil immer noch Gender-Bilder kreiert, dass mir schlecht wird!

Und nein, da sind wir noch lange nicht angekommen – wir haben einiges an Arbeit vor uns.


Interessante Links:

„Vorsicht bei falschen Profilen: Loverboys und Cybergrooming sind eine echte Gefahr!“ (KaufMich Magazin, Plattform für Sexarbeiter*innen)

Fakten und Informationen zu Loverboys (Diakonie Freiburg)

Über die schwierige Definition von Menschenhandel (Von Online-Magazin Menschenhandel Heute)

Hilfetelefon Sexueller Missbrauch (auch bei Cybergrooming) – bundesweit, kostenfrei und anonym: 0800 22 55 530


Dieser Beitrag stammt von Madame Kali – Sexarbeiterin, Künstlerin und gelernte Erziehungswissenschaftlerin. Hier liest du mehr von ihr auf ihrem Blog. 

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