Kälte, Schulden, Pandemie: Nothilfe Fonds für Sexarbeitende bittet um Spenden

Beinahe zwei Jahre sind vergangen seit der BesD den Nothilfe Fonds für Sexworker in Not ins Leben gerufen hat. Ohne weitere Finanzierung droht jetzt ein baldiges Aus –  ausgerechnet zu Anfang der kalten Jahreszeit und mit der Verbreitung der Omikron-Variante. Fragen und Antworten mit Fonds-Beauftragter Noah Name.

—> LINK: Hier kannst du für den Nothilfe Fonds spenden


Fast alle Arbeitnehmer*innen sind mehr oder weniger schwer von der Pandemie betroffen. Kannst du erklären, warum die Situation für  viele Sexarbeitende besonders dramatisch ist? 

Wir sehen in der Sexarbeit, ganz unabhängig von der Pandemie, viele Menschen in schwierigen Lebensverhältnissen, welche einzeln oder in Kombination zu sozialem Abstieg und Alternativlosigkeit führen können. Es gibt einen großen Teil an Menschen in der Sexarbeit, die extrem prekär leben und arbeiten. Ein Großteil dieser haben wiederum keine deutsche Staatsbürgerschaft  – und damit keinen Zugriff auf staatliche oder andere finanzielle Hilfsangebote. Auch nicht in einer Pandemie.

Prekär kann auch bedeuten, dass jemand keinen festen Wohnsitz hat, keine Aufenthaltsgenehmigung oder Arbeitserlaubnis, kein soziales Netz, keine (in Deutschland anerkannte) Ausbildung, Probleme mit Drogen, Schulden und so weiter. Kaum eine gesellschaftliche Gruppe in Deutschland setzt sich außerdem so intersektional zusammen wie die der Sexarbeitenden im Niedriglohnbereich – mit trans* Personen, queeren Personen, People of Color, Menschen mit tatsächlichen oder ihnen zugeschriebenen Migrationshintergrund und so weiter. Die Diskriminierung seitens der Gesellschaft und des Staates tragen massiv dazu bei, dass es manchen Menschen während eines Ausnahmezustands wie der Pandemie ganz besonders dreckig geht.

Dazu kommt: In der Sexarbeitsbranche spielen nicht nur die Eindämmungsmaßnahmen eine Rolle, sondern auch der in manchen Bereichen starke Rückgang der Nachfrage. Nur ein Beispiel aus Berlin: Sexarbeiter*innen von der Kurfürstenstraße und der Frobenstraße berichten, dass es ihnen auch nach Aufhebung der Ausgangssperren immer noch massiv an Kunden fehlt.

Bei der Gründung des Nothilfe Fonds im Juni 2020 war das Ziel, die ersten Auswirkungen der damals neuen Pandemie und der ersten Bordellschließungen zu mildern. Wie hat sich das Projekt seitdem weiterentwickelt?

Die Folgen der Pandemie dauern natürlich bereits wesentlich länger an als wir zu Anfang gerechnet hatten. Mit den schlimmen Auswirkungen von Corona, besonders auf bereits marginalisierte Sexarbeitende, ist der Fonds nahezu zwangsläufig ein fester Bestandteil unserer Verbandsarbeit geworden.

Wir wurden von Anfang an mit Anträgen überschüttet und die Situation hat sich bis heute nicht entspannt – einem Ausnahmezustand folgt der nächste. Der administrative Aufwand machte es nötig, dass der Nothilfe Fonds mittlerweile im Rahmen einer exklusiv vom BesD dafür geschaffenen Honorarstelle von mir und einer Kollegin betreut wird.

Was konntet ihr mit dem Nothilfe Fonds bisher erreichen? 

Es gibt mir viel Hoffnung, wieviel wir seit Beginn der Krise erreichen konnten. Vor allem innerhalb eines  ehrenamtlichen Verbands, der selbst ständig mit Geldsorgen kämpft. Wie der BesD selbst, ist der Nothilfe Fonds vollständig auf die Unterstützung von Spender*innen angewiesen.

Bisher sind  dank einiger Groß- und vieler Klein-Spenden knapp über 250.000 Euro über den Fonds an bedürftige Sexarbeitende in Deutschland geflossen. Pro Person ist eine Bewilligung bis maximal 1200€ möglich, meistens bewegt sich die bewilligte Summe im dreistelligen Bereich. Anfangs wurden hauptsächlich Geld für Miete, Lebensmittel, Familienangehörige, laufende Kosten und medizinische Versorgung beantragt.

Und wie ist die aktuelle Lage?

Im Moment erreicht uns eine hohe Anzahl an Anträgen, die wir leider schlicht nicht mehr bearbeiten können. Deshalb sind wir auf jede einzelne Spende angewiesen. Aber auch Kontakte zu Stiftungen oder die Unterstützung bei der Beschaffung von  Fördermitteln wären wahnsinnig hilfreich.

Kurz gesagt: Die Taschen des Nothilfe Fonds sind leer.

Die Pandemie nimmt kein Ende und mittlerweile mussten viele Sexarbeitende deshalb Schulden auf sich nehmen. Schwierigkeiten, diese zurückzuzahlen, werden heute neben den oben genannten Gründen immer häufiger mit als Antragsgrund genannt. Zudem macht der Winter gerade wohnung- und obdachlosen Sexarbeiter*innen zu schaffen. Mehr als die Hälfte derer, die in der zweiten Hälfte von 2021 Geld beantragt haben, hatten keinen festen Wohnsitz. Immer öfter wird auch Geld für warme Winterkleidung, Decken und Zelte beantragt.

Wir arbeiten deutschlandweit mit Beratungsstellen zusammen, die die Sexarbeitenden über die einmalige Zahlung aus dem Nothilfe Fonds hinaus beraten und unterstützen. Wir stellen derzeit eine der wenigen Alternativen zu offizielleren Hilfestellen dar, die aus verschiedenen Gründen für viele Sexarbeitende keine Option sind. Auch deshalb ist es uns ein großes Anliegen, den Zugang weiterhin so niedrigschwellig und zugänglich wie möglich zu halten und auf Augenhöhe mit den Antragsteller*innen zu kommunizieren.


—> LINK: Hier kannst du für den Nothilfe Fonds spenden.

—>Kontakt aufnehmen: 
Noah Name
Mail: notfallfonds@besd-ev.de
Telefon: +49 341 98995566
WhatsApp: +43 677 64501557

Achtung: Bitte gib bei einer Überweisung unbedingt den Nothilfe Fonds als Verwendungszweck an, da wir diese Spenden natürlich von generellen Spenden für den Berufsverband getrennt halten.