Respekt für ALLE! Sexarbeiterin Mia Rose spricht auf dem CSD

Offene Worte von Sexarbeiterin Mia Rose am CSD in Leipzig (16.07.2022).

Das für den Beitrag verwendete Foto von Mia Rose stammt von dem Fotographen Tim Oehler und wurde für den Bildband „Sex-Workers: Das ganz normale Leben“ geschossen (-> mehr lesen: Bericht vom STERN am 14.11.2021) Die Kollegin hat uns ihre Worte hier in Textform zur Veröffentlichung zur Verfügung gestellt, der Livestream vom CSD (Beitrag ab ca. 06:15 min) ist zu diesem Zeitpunkt leider auf „privat“ gestellt.


Ich bin Mia Rose. Eine Sexarbeiterin. Eine Prostituierte. Ich spreche. Zu Euch. Über Respekt für alle Sexarbeiter:innen. Ein Wunsch. Eine Forderung. Eine Selbstverständlichkeit. Denn ohne Respekt geht es nicht. Überall auf der Welt.

Die Berichterstattung über Prostitution ist hauptsächlich binär.

Entweder ganz tolle Geschichten über die Happy Hooker. Oder ganz schreckliche Geschichten über sexuelle Ausbeutung. Entweder Verbot von Sexarbeit oder selbstbestimmte Arbeit und eintreten für unsere Rechte.

Aber die meiste Sexarbeit findet in der Normalität zwischen diesen beiden Extremen statt.

Diese Personen führen ein ganz normales Leben, das aber total unsichtbar gemacht wird. Weil die Medien eben nicht darüber berichten. Weil diese Menschen nicht Auskunft geben wollen. Weil sie nicht Auskunft geben können.

Prostitution ist ein Stigma! Für fast Alle! Ich möchte diesen Menschen meinen Respekt erweisen!

Ich habe Respekt. Vor den Sexarbeiter:innen, die nahezu täglich ihren Beruf ausüben.

Natürlich. Kein Beruf wie jeder andere. Aber. Ein Beruf. So, wie jeder Andere einer ist. Mit seinen Vor- und Nachteilen. Seiner Professionalität. Und natürlich auch mit seinen Missständen. Aber diese Missstände sind kein isoliertes Phänomen in unserer Gesellschaft, sondern sie gehören selbstverständlich mit dazu. Sie haben mit Armut und Ausbeutung zu tun. Oder mit anderen Worten: Mit Kapitalismus und Patriarchat.

Ich habe Respekt vor diesen Menschen, die täglich für Euch da sind.

Wenn ihr sie braucht. Körpernahe Dienstleistungen. Das erfordert Selbstbewusstsein. Sich auf die Wünsche des Gegenüber einlassen. Oder auch nicht. Grenzen setzen. Sich nicht verlieren. Und scheinbar alles geben.

Wir sind eure Geliebten. Auf Zeit. Bitte nicht in uns verlieben! Naja, ein wenig schon. Ist gut fürs Geschäft. Wir spielen eine Rolle. So, wie andere Professionen auch. Wie im Theater. Wir haben Künstlernamen. Wir verkleiden und schminken uns.

Eigentlich könnten wir auch Zugang zur Künstler:innen-Sozialkasse erhalten. Eine Möglichkeit. Für gesellschaftliche Anerkennung. Für soziale Absicherung. Für Respekt!

Ich habe Respekt vor den Trans-Sexarbeiter:innen.

Ich bewundere ihre Kraft. Ihre Stärke. Ihren Mut. Auch sie sind für Euch da. Und wie wird es Ihnen gedankt? Sie erfahren Gewalt! Nicht nur auf dem Straßenstrich in Berlin.

Ich habe Respekt vor den Menschen, die Sexualbegleitung anbieten.

Die Menschen mit sogenannten Behinderungen Selbstermächtigung in ihrer Sexualität ermöglichen. Ein grundlegendes Menschenrecht. Ich war zu Tränen gerührt, als ich überhaupt davon erfuhr. Welch eine Geste! Danke!

Ich habe Respekt vor den internationalen Sexarbeiter:innen.

Die nicht nur unser (Sex-)Leben bereichern. Die keinen einfachen Weg beschreiten. Die ihre Heimat, ihre Familien, ihre Kinder, ihre Freundschaften verlassen müssen. Sie sind auch für euch da.

Zu einer dieser Frauen fällt mir zum Schluss eine kleine Anekdote ein. Vom Beginn des ersten Lockdowns. Der 19.März hatte gerade begonnen. In einem Wohnungs-Bordell in Paunsdorf. Die Tür verschlossen. Die Klingel abgestellt. Faktisches Berufsverbot. Nicht nur für uns. Schon bald wird von einer Neuen Normalität die Rede sein.

Eine Kollegin aus Griechenland spielt Gitarre. Sie singt Gundermanns „Alle oder Keiner“. Im Original von Neil Young. „Rockin` in the Free World“ Mein persönlicher Soundtrack zum Fall der Berliner Mauer. Damals schien so vieles möglich… So viele Mauern sollten fallen. In unseren Köpfen. In unseren Herzen. Vielleicht erinnert Ihr Euch?!

Ich möchte diese vergessenen Möglichkeiten wieder aufgreifen. Ich finde Heute ist ein guter Tag dafür! Für eine wirklich Neue Normalität! Lassen wir alle Mauern fallen! In unseren Köpfen! In unseren Herzen!

LEAVE NO ONE BEHIND! 
Respekt für alle Sexarbeiter:innen.
Respekt für Alle!