Sex in Japan wird kuscheliger…..

Manchmal suchen sich Journalisten sehr exotische Themen raus. So erhielten wir eine Anfrage, wo es um den Wandel der Sexbranche in Japan geht. „Dort nimmt das Angebot „härterer“ sexueller Dienstleistungen wie Geschlechtsverkehr und Oralsex ab, während Einrichtungen mit „weicheren“ Angebote wie Massagesalons und Kuschelcafés boomen. Als Grund gilt Japans alternde Gesellschaft. Die vielen Alten wollen, oder können, keinen Sex mehr haben, sehnen sich aber weiter nach Intimität und Körperkontakt.“
Wir sollten antworten, ob denn ein ähnlicher Wandel in Deutschland zu verzeichnen ist.

Eine Kollegin aus dem BesD hat sich dazu Gedanken gemacht:

Ich habe nicht das Gefühl, dass es zwingend an einer alternden Gesellschaft in Japan liegt, dass Etablissements wie Kuschelcafés entwickelt wurden. Meines Erachtens impliziert diese Aussage, dass in der Hauptsache Männer mit Potenzproblemen diese Services in Anspruch nehmen. Zunehmende Landflucht der jüngeren Generation und der Wandel sich um seine auf dem Land zurückgelassenen Eltern nicht mehr in dem Maße zu kümmern wie noch vor einigen Jahrzehnten (zu Zeiten, als Zwei-Generationen-Haushalte üblich waren) erklären die zunehmende Vereinsamung älterer Japaner schon eher.
Im Hinblick auf einen Erklärungsversuch der Impotenz wird jedoch außer Acht gelassen, dass es ja auch Maid-Cafés gibt (Örtlichkeiten, in denen als Zimmermädchen verkleidete junge Damen Männern, meist gleichen Alters, Gesellschaft leisten), Crossdressing-Maid-Cafés (in denen Jungs als Zimmermädchen verkleidet Gesellschaft leisten) oder Boy-/Butler-Cafés, in die junge Frauen gehen, um dort die Gesellschaft gutaussehender junger Männer zu genießen. Meines Wissens nach ist in all den von mir aufgezählten Beispielen eine Berührbarkeit des Dienstleistungspersonals ausgeschlossen.
Offen gestanden würde ich dies auch nicht mit japanischen oder deutschen Sexangeboten vergleichen. Es gibt schließlich auch Cat-/Dog- und weitere Cafés, in denen ebenso emotionale Bedürfnisse befriedigt werden, ohne dass es zu einer Interaktion (zwischen Menschen) kommt.

Japans Gesellschaft unterscheidet sich einfach auch sehr von der deutschen. Gruppenzugehörigkeit ist in Japan sehr wichtig; endet die Zugehörigkeit zur Gruppe der eigenen Schulklasse mit Schul- oder College-Abschluss, beginnt sie mit Tätigkeitsaufnahme in einer Firma bei den Kollegen erneut. Japanische Kollegen gehen gerne nach der Arbeit noch in Bars oder Restaurants, um den Arbeitsalltag ausklingen zu lassen, am Ende des Abends ist mit Gruppenzugehörigkeit aber Schluss, und wer keine Familie hat, den holt spätestens auf dem Weg nach Hause die Einsamkeit wieder ein.
Zusätzlich ist es in Japan üblich, dass die Frau aus dem Berufsleben ausscheidet und sich dem Familienleben und der Hausarbeit komplett widmet, sobald sie heiratet. Ich meine, dass auch in Japan mittlerweile ein Karrieredenken bei vielen Frauen eingetreten ist, sie möchten so früh gar nicht mehr heiraten wie noch ihre Elterngeneration. Der gegenwärtige Zustand: Männer haben weniger Zugang zu heiratswilligen Frauen. Die Folge: Zunehmende Einsamkeit auch in jüngeren Bevölkerungsschichten.

Warum gibt es diesen Wandel von Sex-Dienstleistungen zu Intimitäts-Dienstleistungen ohne Sex in Deutschland nicht? Das ist eine gute Frage. So eine richtige Antwort habe ich darauf auch nicht. Vielleicht ist ein Ansatz aber in dem Unterschied zu suchen wie Freundschaften in Deutschland und wie Freundschaften in Japan gepflegt werden. Gesellschaftlich sind in Deutschland heterogeschlechtliche Freundschaftlich ganz normal. Sicher denkt man sich mal:“Die verstehen sich aber ziemlich gut, irgendwie stecken sie in einer Friendzone fest, sonst wären sie sicher ein Paar.“, aber grundlegend werden Mann-Frau-Freundschaften so akzeptiert wie Mann-Mann- oder Frau-Frau-Freundschaften, und man geht nicht sofort davon aus, dass ein Mann und eine Frau ein Paar sind. Ich kann mit einem Freund Essen gehen, ohne dass unser gemeinsamer Freundeskreis davon ausgeht, dass da „was läuft“.
In Japan ist das anders; Gesellschaftliche Zusammenkünfte von drei und mehr Personen sind freundschaftliche Anlässe – nur zwei Personen hingegen gehen zu einem Date. Gesellschaftlich wird in Japan viel mehr in ein Treffen unter zwei gegengeschlechtlichen Freunden hineininterpretiert, das kann soweit gehen, dass eine Freundschaft als außereheliche Affäre von außen missbilligt wird. Da kommt man zu dem Schluss, dass in Japan alles, was die eigene Ehefrau emotional nicht bietet, für den Mann unerreichbar ist (bzw. bis zum Auftreten von solchen Kuschel-/Maid-/Boy-/ usw.-Cafés war), wohingegen in Deutschland durch vielfältige Freundschaften die Möglichkeit geboten wird, dass ein Ehemann auch außerehelich emotional mit einer Frau zu tun hat, ohne dass es in Romantik und Sex mündet.
Vielleicht ist das ein Grund dafür, warum in Deutschland solche rein emotionalen Dienstleistungsangebote nicht oder nur in Einzelfällen benötigt werden.

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