Analyse von HUNQZ: Knapp tausend männliche Sexarbeiter in Deutschland

Während weibliche Sexarbeit oft im Scheinwerferlicht von Medien und Politik steht, führt die männliche Sexarbeit eher ein Schattendasein im öffentlichen Bewusstsein. Belegbare Zahlen zur Sexarbeit stehen bisher grundsätzlich nicht zur Verfügung – lediglich die Zahl der im Rahmen des Prostituiertenschutzgesetzes angemeldeten zumeist weiblichen Sexarbeiterinnen.

Da männliche Sexarbeit selten bis gar nicht in Bordellen stattfindet, findet in der Regel auch keine Anmeldung nach ProstSchG statt. Ein weiteres Unterscheidungsmerkmal zur heteronormativen Sexarbeit ist die geringe Vernetzung unter den männlichen Dienstleistern.

Besonderheiten der mann-männlichen Sexarbeit

Ganz generell ist laut Studien die Frequenz an Sexualpartnern bei  homosexuellen Männern im Vergleich zu hetereosexuellen Männern rund doppelt so hoch. Im Bezug auf Sexarbeit, findet diese einerseits moralisch abgeklärter statt, als bei Frauen – Motto: „Leg mal nen Euro auf den Steifen und schick mir ein Bild, damit ich sehen kann, ob der wirklich so groß ist!“ Auch in der Durchführung gibt es merkbare Unterschiede zur weiblichen Sexarbeit – mann-männliche Sexarbeit ist schneller und einfacher zu realisieren, beispielsweise in Parks, etc.

Kolja Nolte, Pressesprecher des BesD und bekanntester Dominus im deutschsprachigen Raum, konnte für den Verband in Kooperation mit dem Sexwork-Portal HUNQZ einen bisher in Deutschland einmaligen belastbaren Einblick in die Anzahl von männlichen Sexarbeitenden erreichen. Die Zahlen wurden erstmals auf der SAMBA Fachtagung vor Publikum präsentiert.

Das Ergebnis ist die laut Nolte sehr realistische Zahl von 1000 Männern, die ernsthaft in der Sexarbeit in Deutschland tätig sind.


Warum sind die Ergebnisse so aussagekräftig?

Im Gegensatz zu weiblicher Sexarbeit kann männliche Sexarbeit in Deutschland beinahe vollständig über die Datenauswertung von HUNQZ abgebildet werden. HUNQZ ist ein selbstständiger Teil der Dating-Plattform ROMEO, hat Pionierstatus bei der Vernetzung schwuler Männer in Deutschland und wird aufgrund der Monopolstellung gern auch scherzhaft als „schwules Einwohnermeldeamt“ bezeichnet.

Das Portal ist der unumstrittene Platzhirsch am deutschen Markt, vergleichbar mit der Stellung von sleepyboy in Großbritannien bzw. Rent.Men in den USA. Migrationsprostitution, Straßenprostitution oder Edel-Escort – die mann-männliche Sexarbeit in Deutschland aus allen sozialen und beruflichen Schichten findet fast ausschließlich dort statt.

Aus welcher Zeit stammen die Zahlen?

Der Stand der Auswertung ist von September 2022. Damit konnte unter anderem die Auswirkung der Corona-Krise auf die männliche Sexarbeit abgebildet werden.

Wie wurden die Profile von ernsthaft in der Sexarbeit tätigen Männern gefunden?

Um aus den knapp 20.000 Usern auf HUNQZ neben den kostenlosen Lust- und Phantasie-Profilen jene zu identifizieren, die Sexarbeit ernsthaft als ihr Einkommen betrachten, wurde der Bezahlstatus der Profile geprüft und anschließend die Angabe einer eigenen Sexarbeits-Website abgeglichen. Über beide Wege ergab sich ein Ergebnis von rund 5%, also 1000 männliche Sexarbeiter in Deutschland.

Im Städteabgleich stachen unter den angegebenen Arbeitsorten der männlichen Sexarbeiter insbesondere Berlin mit etwas über 20% sowie auch Hamburg hervor. Rund 86% der männlichen Sexarbeiter geben ein Alter zwischen 21 und 40 Jahren an.

 

Bottom oder Top?

Ein politisch inkorrektes Klischee unter schwulen Männer lautet, dass die meisten sogenannte „Bottoms“ sind, also der empfangende/passive Teil. Unter der Gesamtzahl der 20.000 Hunqz-Profile ist das Verhältnis zwischen Top und Bottom nahezu ausgeglichen. Bei den 5% der tatsächlichen Sexarbeiter wird das Klischee auch ein Stück weit bestätigt, denn es zeigt sich ein großer Überhang an Sexarbeitern die sich als Tops anbieten (ca. 45%) gegenüber jenen, die ihre Dienstleistung als Bottom verkaufen (knapp 9%).

 

Welche Entwicklungen sind im Bezug auf männliche Sexarbeit zur Corona-Krise zu sehen ?

Die Auswertungen bei HUNQZ bestätigen die These, dass Sexarbeit gerade in Krisenzeiten an Bedeutung gewinnt. Galt bis dahin ein Anstieg von 5% pro Jahr als normales Wachstum, verfünffachte sich die Zuwachsrate durch die Corona-Krise auf 25 %.

ROMEO und HUNQZ: Private und kommerzielle Sexualität friedlich nebeneinander?

Während andere Dating-Plattformen, so auch der mobile Marktführer Grindr, Sexarbeitende raus-ekeln und gerade im Netz regelrechte Hexenjagden stattfinden, macht ROMEO mit HUNQZ vor, wie es auch anders geht. Missbrauch wird zum Beispiel dadurch unterbunden, dass Hunqz-User keine Besuchertabs hinterlassen und damit Kunden „locken“ können.

Die beiden Plattformen sind einerseits deutlich voneinander abgegrenzt und andererseits gleichzeitig für alle zusammen nutzbar – alle können miteinander reden.  So einfach kann es gehen, wenn man nur will.

Nachtrag 07.06.´23 Die Mann-weibliche Sexarbeit (=der heterosexuelle Mann ist Sexarbeiter) ist bewusst nicht mit in die Analyse eingebunden worden, da beim Blick in entsprechende Portale die Zahl im unteren zweistelligen Bereich liegt und somit auf die eigentliche Aussage keinen Einfluss hat.