@JohannaWeber

SPD-Vorstandsmitglied Leni Breymaier bezeichnet Bonner Sexworker-Protest als „erbärmlich“ und erntet einen Shitstorm auf Twitter

Ein KOMMENTAR von Aya Velázquez (Nachtrag 10. Dez 20: Da Ayas anderweitiger Aktivismus im Verband Unverständnis und Kritik hervorgerufen hat, ist Aya mittlerweile aus dem BesD e.V. ausgetreten.)

BERLIN 01.10.2020 | Das Verhalten der SPD-Abgeordneten Leni Breymaier gegenüber Sexarbeitenden in Deutschland erreicht einen neuen Tiefpunkt: „War ja recht erbärmlich.“ spottet die Sozialdemokratin am 27. September unter einem Tweet der Berliner Sexarbeits- Aktivistin @hauptstadtdiva. Breymaier stellt hiermit erneut ihre Verachtung von Sexarbeitenden offen zur Schau. Kurzer Abriss eines Shitstorms:

Ein weit verbreitetes Twitter-Gesetz besagt: Wenn die Anzahl der Kommentare unter einem Tweet die der Likes übersteigt, handelt es sich entweder um eine kontroverse Satire, einen Shitstorm, oder beides zusammen. Beträgt der Wert Kommentare geteilt durch Likes >1, hat der Tweet die Öffentlichkeit jedenfalls stark polarisiert.

Leni Breymaiers Wert für ihren „War-ja-recht-erbärmlich“-Tweet liegt bis dato bei 7,4 – 52 Kommentare und ganze 7(!) Likes. Und nein, wie für jeden klar ersichtlich hat die baden- württembergische SPD-Frau hier keine geistreiche, kontroverse Satire hingelegt. Dafür fehlt ihr – bei allem Respekt – ganz offensichtlich der Sinn, das Talent und eine gewisse Distanz zu sich selbst.

Screenshot Twitter

Die Resonanz auf ihren Tweet wirft kein besonders glanzvolles Licht auf die SPD-Abgeordnete. Wo bleiben eigentlich Frau Breymaiers Unterstützer? Selbst diese haben sich nur spärlich zu einem Kommentar oder einem Like hinreißen lassen. Evtl. ja nach diesem Kommentar. Nur zu, es verstärkt die herablassende Haltung gegenüber ein paar Sexarbeitern, die um ihre Rechte kämpfen.

Die jüngste Äußerung Leni Breymaiers folgt einer ganzen Reihe Sexworker-verhöhnender Tweets. Unmittelbar zu Beginn des Corona-Lockdowns und existenzbedrohender Berufsverbote für ganze Branchen, darunter auch der Sexarbeit – verlieh Leni Breymaier ganz unverhohlen ihrer Schadenfreude Ausdruck:

„Stuttgart verbietet Prostitution wegen Corona. Geht doch. Man(n) kann doch schon mal üben.

Plötzliche Armut und Not für Betroffene? Für die Sozialdemokratin Breymaier kein Anlass zur Betrübnis.

In einem ZEIT-Streitgespräch mit der Berliner Sexarbeiterin, Sexwork-Aktivistin und Autorin Kristina Marlen am 30.01.2020 tätigte Leni Breymaier eine Aussage, die inzwischen in Sexarbeits-Kreisen als paradigmatisch für ihre Haltung gilt und eigentlich jedem redlichen Sozialdemokraten das Blut in den Adern gefrieren lassen sollte. Auf den Hinweis Marlens, Leni Breymaier würde Frauen wie ihr die Unterstützung entziehen, erwidert diese in einem Anflug unverblümter Schamlosigkeit:

„Ich entziehe Ihnen nicht meine Unterstützung. Sie haben meine Unterstützung noch nie gehabt.“

Man mag nun einwenden – immerhin ehrlich! Bedenklich ist ein solches Minderheiten-Mobbing seitens eines SPDVorstandsmitglieds dennoch, denn es erodiert schleichend und unmerklich die letzten noch verbliebenen Grundwerte der einstigen Arbeiterpartei SPD.

Leni Breymaier vertritt in keinster Weise eine evidenzbasierte Sichtweise auf Sexarbeit, sondern schlichtweg gruppenbezogene Menschenfeindlichkeit.

In Bonn als Sexarbeiter sein Gesicht zu zeigen, frierend bei garstigem Wetter den niveaulosesten Beschimpfungen als Kriminelle der Gegenseite zu trotzen, sowie der demokratische Einsatz für die Grundrechte von Sexarbeitenden verdient zunächst einmal Respekt und sicher nicht die offen zur Schau gestellte Häme seitens einer Abgeordneten. Wir bitten Frau Breymaier daher freundlichst um ein wenig mehr staatsbürgerliche Contenance.

Herzlichst, Aya Velázquez

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