Gedanken zum ON/OFF bei den Corona-Lockerungen in Rheinland-Pfalz

Persönlicher Brief an die Landespolitik in Rheinland-Pfalz
von Vorstandsmitglied des BesD, Nicole Schulze

Ich schreibe Ihnen heute mit drei Gefühlen, möchte Ihnen meine Gedanken zur o. g. Thematik
mitteilen und habe wichtige Fragen an Sie.

Meine Gefühle sind Wut, Angst und Enttäuschung.

Sie haben letzte Woche Freitag durch die 9. Coronaverordnung in RLP mitgeteilt, dass die Prostitution unter Auflagen ab dem 10. Juni 2020 wieder erlaubt sei.

Diese Nachricht hat mich und viele Frauen in RLP, die in diesem Bereich selbstbestimmt ihren Lebensunterhalt bestreiten, erfreut und erleichtert. Gleichzeitig gab es einen verstärkten Austausch von Betreibern, selbständigen Dienstleisterinnen, Werbeportalen uva., um die Umsetzung des Neustarts so korrekt wie nur möglich und im Einklang mit allen Vorgaben zu besprechen.

Die Not bei allen in dieser Branche ist sehr groß.

Sie selbst haben am Anfang der Krise Gelder zur Verfügung gestellt um diese Not zu lindern. Aber dieses Geld ist nun längst aufgebraucht. Sollte die Tätigkeit der Dienstleisterinnen und die Öffnung der Betriebe weiter verboten sein, benötigt es weitere dringende Unterstützung. Damit meine ich Hilfen für die soloselbständigen Einzelprostituierten, aber auch die Unterstützung für Betriebsstätten, denn diese ermöglichen vielen Frauen eine Arbeitsstätte. Ich stehe mit allen Beratungsstellen in Rheinland-Pfalz in Kontakt und wir vom Berufsverband unterstützen weiter über unseren Nothilfefonds, aber das ist nur ein Tropfen auf den heißen Stein.

Ich persönlich bin davon überzeugt, dass Sexarbeiter und Bordellbetreiber unter hygienischen Bedingungen wieder öffnen können und sollten! Alle Argumente, die in den letzten Tagen GEGEN eine Wiedereröffnung des GESAMTEN Bereiches gesprochen haben, entbehren jeglicher nachweisbarer Grundlagen, Prüfungen, medizinischer Erhebungen oder anderen belastbaren Fakten sondern sind lediglich Annahmen einzelner!

Warum beschäftigt sich keiner wirklich mit unserer Branche?
Warum ermöglicht man uns nicht eine stufenweise Öffnung, so wie man das in anderen Bereichen gemacht hat und stellt somit eine bessere Beobachtung der Entwicklung sicher? Warum begrenzt man nicht die Arbeitszeiten oder die Zahl der Personen pro Quadratmeter, ähnlich wie im Einzelhandel? Im Übrigen sind unsere Nachbarn in Österreich und der Schweiz schon deutlich weiter und erlauben die gesamte Prostitution ab 15. Juni bzw. 01. Juli wieder, parallel auch zur Öffnung von Diskotheken, Clubs usw.

Die sexuelle Vielfalt in diesem Bereich ist riesengroß – dennoch findet keine Differenzierung statt. Sie reden immer nur von den Bordellen und werfen damit gleichzeitig alle in einen Topf! Es gibt die Dienstleister wie zum Beispiel die unberührbare Domina. Sie bietet keine sexuelle Dienstleistung MIT oder AN ihrem Körper an, ist immer bekleidet, hat weniger Körperkontakt als z. B. ein Masseur und arbeitet wie viele andere auch unter höchsten Hygienestandards! Warum darf Sie nicht unter Auflagen ihre Tätigkeit wieder aufnehmen?

Warum darf eine Frau, die alleine in ihrer Wohnung arbeitet, keine Kunden empfangen?
Warum darf eine Escort Frau keine Verabredungen für Haus- oder Hotelbesuche vereinbaren?

Wo ist da der Unterschied zwischen Online Dating Plattformen wie Tinder, C-Date u. ä.? Nur weil wir bezahlt werden?
Bitte bedenken Sie, dass professionelle Frauen in diesem Bereich viel achtsamer sind was Hygiene und ihre eigene Gesundheit angeht.

Es ist heute nicht mehr so, wie Ihre Vorstellung von Prostitution noch immer zu sein scheint.
Es gibt keinen Massenandrang, bei dem sich unzählige Männer über eine Frau hermachen. Eine sexuelle Dienstleistung ist in der Regel ein Treffen von zwei Personen, das in einer für in Zukunft gewollten sicheren Umgebung stattfindet!

Auch in Bordellen kann man eine Regelung treffen, dass ein Großbordell zum Beispiel anstatt mit 40 Frauen mit 10 Frauen startet. Termine werden direkt bei der Frau selbst gemacht und der Kunde wird an der Tür von seiner ausgewählten Dame empfangen und kann nicht wie normal durchs Haus laufen, sich an die Bar setzen usw. Die Kontaktdaten werden festgehalten.

Ich kann Ihnen nur aus meiner persönlichen, langjährigen und gut vernetzten Erfahrung mitteilen:
–  Die Frauen wollen arbeiten
–  Die Frauen wollen Hygienemaßnahmen umsetzen
–  Die Frauen können die Kontaktdaten aufnehmen!!!!
– Auch bei den Betreibern findet ein Umdenken statt und es herrscht große Zustimmung bei der Einhaltung von Hygieneregeln. Alles andere wäre doch geschäftsschädigend!

Vor allem aber wollen die Frauen nicht mehr ausgegrenzt werden!
Durch Ihre kurzfristige Entscheidung, dass die Prostitution jetzt doch nicht öffnen darf, haben Sie eine weitere Notlage geschaffen: Obwohl das Geld bei vielen bereits äußert knapp war, haben Frauen begonnen, Werbung zu schalten, sich Bahn/Bustickets gekauft, sich neue Kleidung zugelegt uva, in der Hoffnung ab dem 10.06. wieder Geld verdienen zu können.

Betreiber und andere Betriebsstätten haben alles in Bewegung gesetzt um pünktlich öffnen zu können, ihre Angestellten aus der Kurzarbeit zurückgeholt, Hygienevorsichtsmaßnahmen getroffen, Werbung geschaltet, Termine mit unzähligen Frauen koordiniert.

Schämen Sie sich nicht, einer Branche so eine Behandlung zuzumuten?
Was Sie damit gerade erreichen, ist ein verstärktes Gefühl und die Bestätigung der fortlaufenden Diskriminierung und die Aberkennung der Gleichberechtigung eines Berufsstandes! Viele Frauen werden sich nun noch mehr im Stich gelassen fühlen und ihrer Arbeit im Verborgenen nachgehen!! Das bereitet mir Sorge.

Ihre Begründung, das Ordnungsamt sei nicht in der Lage Bordelle zu überprüfen und zu kontrollieren? Ganz ehrlich, Razzien und Kontrollen können Sie immer durchführen um zu prüfen, ob Frauen angemeldet sind oder nicht. Aber bei Corona geht das auf einmal nicht mehr? Dann stellen Sie mehr Personal dafür ein. Das sind für mich keine Argumente eine ganze Branche lahmzulegen.

Ich stelle mich gerne zusammen mit anderen Damen aus der Branche zu Verfügung um mit Ihnen gemeinsam einen Weg zu finden, wie die sexuelle Dienstleistung unter Corona funktionieren kann und sollte.

Ich appelliere an Sie: lassen sie uns an einen Tisch setzen um vernünftige Ansätze und Lösungen finden.

Mit freundlichen Grüßen,
Nicole Schulze

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