Der Kleine Prinz und die Prostitution

Dieser Text wurde uns von unserem Mitglied ©Lady Tanja zur Verfügung gestellt.  www.lady-tanja-hamburg.de

Eines Tages kam der kleine Prinz auf einen merkwürdigen Planeten. Er war ganz in schwarz und rot gehüllt, und sah sehr düster aus. Der kleine Prinz fürchtete sich ein wenig. Auf einem großen Thron – ebenfalls in schwarz und rot – saß eine Frau. Sie war ganz in Leder gekleidet (natürlich auch in schwarz), ihre Augen waren mit schwarzem Kajal geschminkt, die Lippen knallrot, und in der Hand hielt sie einen langen, dünnen Stock aus Bambus. Um sie herum lagen viele merkwürdig anmutende Instrumente, deren Bedeutung sich dem kleinen Prinzen nicht erschloß.

Er sah Leder und Stahl, Seile, Ketten, Pranger,  Nadeln, Trichter, Masken, Karabiner und Peitschen. Es gab auch große Möbelstücke…ein Bett, ein Kreuz, ein Bock…alles versehen mit vielen Ösen und Haken. Die Frau auf ihrem Thron winkte den kleinen Prinzen mit einer herablassenden Geste zu sich heran. Verschüchtert und ängstlich fragte der kleine Prinz:

„Bist Du eine Prostituierte?“

„Natürlich nicht“ antwortete die Lederfrau empört. „Ich bin eine Domina“.

„Was macht eine Domina?“ fragte der kleine Prinz.

„Ich demütige und schlage Männer“ erklärte die Domina mit harter Stimme. „Männer sind meine Sklaven. Sie kriechen vor mir und küssen meine Stiefel“.

Der kleine Prinz war irritiert: „Warum machen die Männer das?“

„Weil es sie erregt“ antwortete die Domina ungeduldig. „Wenn ich mit der Behandlung fertig bin, dann dürfen die Sklaven vor mir kommen“.

Nun war der kleine Prinz noch verwirrter. „Das ist Sex“, rief er aus. „Dann bist Du ja doch eine Prostituierte“.

Die Domina war verärgert. „Nein! Niemals“ rief sie. „Prostituierte lassen sich anfassen. Sie zeigen ihre Geschlechtsteile und schlafen mit den Männern. Ich hingegen bin unberührbar. Denn ich bin eine Domina.“

„Wo finde ich denn eine Prostituierte?“ wagte der kleine Prinz eine letzte Frage.

„Auf dem Planeten dort hinten“ sagte die Domina. „Dort, wo es orange und hell leuchtet“.

Der kleine Prinz bedankte sich und verließ den schwarz-roten Planeten. Er war froh, der bösen Frau entkommen zu sein und freute sich auf den hellen Planeten, auf dem er eine Prostituierte finden würde.

Auf dem hell orange leuchtenden Planeten war es viel wärmer und schöner als bei der Domina. Überall standen kleine lächelnde Buddha-Statuen herum. Es gab viele Vasen mit blühenden Orchideen, und auf dem ganzen Planeten flackerten Kerzen und Teelichter. Es gab einladend dekorierte Betten, mit schönen Stoffen und Kissen. Hier gefiel es dem kleinen Prinzen sehr und er hoffte sehr, nun eine Prostituierte zu finden. Auf einem der Betten saß eine freundlich lächelnde Frau im Lotussitz, bekleidet mit einem Kimono. Als der kleine Prinz näher kam, verbeugte sie sich und sagte „Namaste“.

„Hallo“ antwortete der kleine Prinz. „Bist Du eine Prostituierte?“

„Nein“ sagte die lächelnde Frau. „Ich bin eine Tantra-Masseurin“.

„Was ist eine Tantra-Masseurin?“ fragte der kleine Prinz.

Freundlich, geduldig und immer noch lächelnd, sagte die Kimono-Frau: „Tantra ist eine Strömung innerhalb der indischen Philosophie und Religion, entstanden als zunächst esoterische Form des Hinduismus und später des Buddhismus. Die Ursprünge des Tantra beginnen im 2. Jahrhundert, in voller Ausprägung liegt die Lehre jedoch frühestens ab dem 7./8. Jahrhundert vor. Im Buddhismus ist auch der Begriff Tantrayana gebräuchlich. Das Wort Tantra wird manchmal von der Sanskrit-Wurzel tan ‚ausdehnen‘ abgeleitet. Tantrismus bedeutet somit auch allumfassendes Wissen oder Ausbreitung des Wissens.“

Der kleine Prinz verstand kein Wort: „und warum brauchst Du dann das Bett?“

„Auf dem Bett finden meine Tantra-Massagen statt. Das Ziel einer solchen Massage ist  eine spirituelle Erfahrung und umfasst meist auch die Massage der weiblichen beziehungsweise männlichen Geschlechtsorgane, wofür die Bezeichnungen Yoni- und Lingam-Massage verwendet werden, sowie die Massage des Analbereiches und der Prostata.“ sagte die Tantra-Masseurin.

„Das ist Sex“ rief der kleine Prinz. „Dann bist Du ja doch eine Prostituierte“.

„Nein, niemals“ antwortete die lächelnde Frau sanft. „Prostituierte schlafen mit den Männern. Ich hingegen massiere das Geschlechtsteil nach festgelegten Ritualen. Das ist keine Prostitution“.

„Aber wo finde ich denn nun eine Prostituierte?“ fragte der kleine Prinz enttäuscht.

Die lächelnde Tantra-Masseurin zeigte auf einen nahen Planeten, der von Ferne sehr edel und elegant aussah. „Dort sind Prostituierte“ sagte sie. Der kleine Prinz bedankte sich und machte sich auf den Weg zum nächsten Planeten.

Als der kleine Prinz den dritten Planeten betrat, hörte  er leise klingende, wunderbare klassische Musik. Er sah einen perfekt gedeckten Tisch: Auf dem edlen Tischtuch lagen kunstvoll gefaltete Stoffservietten, es gab poliertes Silberbesteck, Porzellan und Kristallgläser. Die Frau, die dort saß, trug ein elegantes Abendkleid. Schlicht und teuer zugleich. Ihr Make-up und ihre Frisur waren perfekt, ihre Garderobe auch. Mit einer anmutigen, formvollendeten Geste hob sie das Kristallglas, in dem Champagner perlte.

„Bonjour, mon petit prince“, sagte sie mit leiser, warmer Stimme.

„Äh, äh, Bonjour“ stammelte der kleine Prinz, ganz hingerissen von dieser strahlenden Schönheit.

„Do you want to have a drink with me?“, fragte die perfekte Frau.

Der kleine Prinz staunte. Zweisprachig war er bisher noch nicht empfangen worden.

„Wie gehen die Geschäfte?“ parlierte  Mrs. Perfect weiter.

Vorsichtig näherte sich der kleine Prinz und betrachtete voller Staunen dieses Wunderwesen.

„Bist Du eine Prostituierte?“ fragte er.

„Natürlich nicht“, sagte die perfekte Frau. „Ich bin eine Escortdame“.

„Was ist eine Escortdame“? fragte der kleine Prinz.

„Als Escortdame begleite ich den solventen Geschäftsmann zum Essen, ins Theater oder in die Oper. Ich habe eine hohe Allgemeinbildung, spreche mehrere Sprachen, kenne mich sowohl mit Börsendaten und Pferderennen wie auch mit den Klassikern der Weltliteratur aus. Ich besuche Vernissagen und verkehre nur in den teuersten Hotels. Zur Zeit studiere ich Poltikwisschenschaften“.

Der kleine Prinz war sprachlos.

„Aber, aber“ stotterte er, „Du schläfst doch auch mit den Männern, oder nicht?“.

„Ja“, sagte die Escortdame. „Aber ich bin natürlich keine Prostituierte, sondern eine elegante Begleiterin auf hohem Niveau. Das betrifft natürlich auch meinen Stundenlohn. Von mir wird weitaus mehr verlangt als kunstvolle Bettakrobatik.“

Der kleine Prinz kam aus dem Staunen gar nicht heraus.

Mrs Perfect fuhr fort, während ihre weißen, geblechten Zähne im Kerzenschein funkelten: „Prostituierte verkehren in heruntergekommenen Kaschemmen oder Sexclubs, stehen an Straßenecken und bedienen die Freier für ein Taschengeld“.

Sie zeigte auf den nächsten Planeten: „Dort findest Du Prostituierte“, sagte sie und trank noch ein Schlückchen Champagner…