Berufsausbildung für Prostituierte – JA oder NEIN

Dieser Beitrag stammt von Johanna Weber.

Gelegentlich wird der Ruf nach einer Berufsausbildung für Sexarbeitende laut. Dieser Ruf kommt interessanterweise selten von den betroffenen Kolleg*innen selber, sondern von gutmeinenden Außenstehenden. Und grundsätzlich haben diese ja auch Recht. Eine anerkannte Berufsausbildung zum Beruf der/des Sexdienstleistenden (oder wie auch immer dieser Beruf dann zu nennen wäre) würde viel Normalität in unsere Tätigkeit bringen.
Das Ansehen unserer Branche würde sich sehr wahrscheinlich verbessern, und somit wäre dies ein großer Beitrag zur Entstigmatisierung der Sexarbeit/Prostitution. Es darf auch davon ausgegangen werden, dass ein anerkannter Berufsabschluss das Selbstwertgefühl vieler Kolleg*innen erhöhen würde. Auch würde wahrscheinlich die Qualität unserer Arbeit steigen und damit auch die Preise – was für Verbraucher schlecht wäre aber für die Sexarbeitenden gut.

So viele positive Argumente.

Und wieso sehe ich das dennoch skeptisch?

Das eben skizzierte Bild ist eine sehr gutmenschliche Herangehensweise und entspricht leider in keinster Weise der Lebenswirklichkeit in unserer Branche.

Der Haupt-Einstiegsgrund in die Sexarbeit ist monetär. Es handelt sich dabei nicht nur die übliche Notwendigkeit, dass man seinen Lebensunterhalt durch Arbeit bestreitet, sondern es handelt sich sehr oft um die totale Pleite, einen riesengroßen Schuldenberg, und bei Migrant*innen oft um große wirtschaftliche Not in den Heimatländern. Aber man muss gar nicht über irgendwelche Ländergrenzen gehen, denn auch in Deutschland gibt es Not. Als alleinerziehende Mutter ist es schon schwer die beiden Kinder mit Hartz4 durchzubringen…

Böse Stimmen würde jetzt sagen, dass Not als Einstiegskriterium ja einer freien Entscheidung im Wege steht und es sich somit um Zwangsprostitution handelt. Das ist aber glücklicherweise zu kurz gedacht. Viele Kolleg*innen, die in schwierigen finanziellen Lebenslagen sind, empfinden es als befreiend, endlich die Schuldenlast zahlen zu können, endlich den Kindern die Klassenfahrt ermöglichen zu können, endlich der schwerkranken Mutter in der Heimat das Geld für Operation geben zu können oder einfach nur für sich selbst eine auskömmliche Perspektive zu haben und nicht mehr von der Hand in den Mund oder von einem Behördenschreibtisch zum anderen leben zu müssen.

Gerade diese sehr große Personengruppe schließen wir mit dem Konzept „Berufsausbildung“ aus, denn das Lehrlingsgehalt ist ja viel zu niedrig um die oben genannten Bedürfnisse zu erfüllen.

Dann gäbe es ja noch die Möglichkeit eine freiwillige Ausbildungsmöglichkeit einzurichten. Ich bin auch sehr hin und her gerissen, ob dies nicht zwangsläufig zu einem zwei Klassen-System führen muss. Die gut ausgebildete, weiße, deutsche Prostituierte und die Migrantin, die aus der Not heraus für kleines Geld sich prostituiert…. Die Bildzeitung hätte statt meiner Worte geschrieben: die ihren Körper verkauft…

Gibt es da Beispiele aus anderen Branchen? 
Nun, da fallen mir die Jounalist*innen ein. Dort gibt es Leute mit Studium, Leute mit Volontariat und solche, die einfach schreiben. Welche Vor- und Nachteile dies im Einzelnen hat, weiß ich natürlich nicht, und ich möchte jetzt auch keine Übertragbarkeitsstudie auf unsere Branche anstellen. Aber man sollte vielleicht Mal in diese Richtung denken.

Ich träume von einem breit angelegten Fortbildungs-Netz für Sexarbeitende aller Art. Mir schwebt da so etwas wie eine berufsbezogene Volkshochschule vor. Es darf dort nicht nur um Professionalisierung zur Domina oder Tantra-Masseurin gehen, sondern eher um Optimierung des Arbeitsalltags im Bordell, auf der Straße, im Sexkino, in der Bar, im Saunaclub, usw.

Das wird sicher noch lange dauern, aber manche Dinge brauchen eben auch Zeit.